stille hunde
 


Übersicht



2008


Ein Schnitt in den Bauch / Im Schlund des Teufels / 7 Orte - Eine Stadtrauminszenierung I / Die kleine Raupe Nimmersatt / Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat / Krabat / Siegfried. Das Lied der Nibelungen, leicht gekürzt / Generationen kommen, Generationen gehen, hirschlederne Reithosen bleiben bestehen


2009


Die Leiden des jungen Werthers / Holmes! Watson! Morden ist menschlich, ermitteln göttlich: Der Hund der Baskervilles / Die Besserung / Die alten Fabelwesen sind nicht mehr, das reizende Geschlecht ist ausgewandert / Die Wahrheit langweilt mich, also lüg' ich: Münchhausens Abenteuer / Händel für Teens: Vom werten Sachsen zum bezaubernden Viech / Bringst du Geld, so findest du Gnade: Reineke Fuchs / Der Vampyr / Knitterbart und seine Bande / Die Nibelungen / 7 Orte - Eine Stadtrauminszenierung II / Im Gedächtnis des Wassers / Vom Schrecken des Anfangs, des Mittelteils und des Endes: Der Mann mit dem verschluckten Auge / Lachende Wüsten / Eine Weihnachtsgeschichte


2010


Der Alptraum vom ewigen Leben: Dracula / Nipple Jesus / Lob des Weins im Dialog der Poeten / Gerechtigkeit wohnt nur im Himmel: Die Grimms in Göttingen / Frühling lässt sein blaues Band / Synchronpoesie: Ungarische Lyrik - Die Meister der Melancholie / Ein so ungeheurer Vorfall: Novellen und Anekdoten von Heinrich von Kleist / Wie man sich bettet: Erzählungen aus Frau Holles Kopfkissenbuch / Der  Drachentöter. Die Sage vom Siegfried, sehr frei nacherzählt vom Wandertheaterbetreiber Alberto Kniff / Kein böses Wort und alle Tage Gesottenes und Gebratenes / Cyrano von Bergerac


2011


Amerikanische Komödien: Zwei Erzählungen von Mark Twain / Sophie Scholl - Ich will mir meinen Mut durch nichts nehmen lassen / Faust - Der Tragödie erster Teil / Faust - Goethe in Einfacher Sprache / Hammerschlag und Muffensausen - Heimwerkertragödien / Herr Faust will alles wissen / Frankenstein / Die Verwandlung / Der Fall Vanunu 


2012


Liebe und andere Strafen / In der Osternacht / Der kleine Opernfreund: Wo's schallt, wie's raucht / Der Grill ist ein Schwein - Neue Heimwerkertragödien / Die andere Seite der Dinge / Der Grüffelo / Und alle Tage Gesottenes und Gebratenes: 200 Jahre Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm


2013


Wilhelm Tell / Die Geschichte vom Kalif Storch / Das schwarze Dekameron / Briefsteller / Macbeth / In achtzig Tagen um die Welt / Cowboy Klaus und das pupsende Pony


2014


Der Mord als schöne Kunst betrachtet: Zwei Erzählungen von Edgar Allan Poe / Faust - Der Tragödie erster Teil / Schwalbe, du Mädchen! - Chronik eines Kreisligaspiels / Der kleine Opernfreund: Made in Germany / Tartuffe


2015


Die Schatzinsel / Die Besserung 2.0 / Sterne und Taler / Wo, bitte, geht's zum Gänseliesel? / Sterne und Taler


2016


Oliver Twist / Der gestiefelte Kater / Dantons Tod / Othello / Der Mann mit dem verschluckten Auge


2017


Heidi / Frankenstein / Interkulturelles Bürgertheater Moringen: Ein Sommernachtstraum / Das Literarische Roulette: Ritter, Tod & Teufel / Pinocchio - Die abentuerliche Geschichte eines Holzkopfs


2018


Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mister Hyde / Interkulturelles Bürgertheater Moringen: Faust / Don Juan


2019


Interkulturelles Bürgertheater Moringen: Romeo und Julia / Ich fresse einen Kapaun - Zu Tisch bei Georg Friedrich Händel / Bürgertheater der Diakoniestiftung Einbeck: Das kalte Herz


2020


Interkulturelles Bürgertheater Moringen: Der Diener 2er Herren


2021


Interkulturelles Bürgertheater Moringen: Der schönste Tag (1)


2022


Interkulturelles Bürgertheater Moringen: Der schönste Tag (2) / Deutsche Stunden / Der Krieg mit den Molchen / Der Affe und der Leopard - Fabeln von Jean de La Fontaine


2023


Anarchisten / Sissi - Eine Wurstelpraterkomödie / Studer ermittelt - Matto regiert / Moby Dick - Auf der Jagd nach dem weißen Wal / Sherlock Holmes - Der blaue Karfunkel / Fuchs und Bär erzählen das Märchen vom Tischleindeckdich


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Nachfolgend sind alle Premieren und Wiederaufnahmen der Jahre 2008 bis heute mit Ankündigungstexten und Pressestimmen aufgeführt, ebenso die Gastspiele und theaterpädagogischen Projekte im Ausland. Die Einladungen zu Sonderveranstaltungsreihen und Festivals innerhalb Deutschlands sind nicht angegeben.



2008

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Ein Schnitt in den Bauch
Klassenzimmerstück von Jörn Barke


Tom wird Vater - ein Problem, wenn man erst sechzehn und die Freundin vierzehn ist. Der scheinbar sexuell erfahrene Kumpel Leo, dem Tom die Misere schildert, kann leider auch nur mit Halbwissen glänzen...


In ihrem Gespräch im Klassenzimmer nach der Schule kommen Tom und Leo den Geheimnissen der Liebe, der Lust - aber auch der Last, als Heranwachsende damit umzugehen - näher und stellen fest, dass sie sich selber mit Sein und Schein ordentlich Stress bereiten. Jörn Barkes Stück wirft ein Schlaglicht auf die Situation von Jugendlichen, die trotz der Flut medial vermittelter Sexualität orientierungslos geblieben und mit den körperlichen und emotionalen Konsequenzen der ersten Liebe überfordert sind.


Premiere: 04.07.2008 / Saal der Kirchengemeinde St. Albani, Göttingen / Eine Produktion für den Kinder- und Jugendtelefon Göttingen e.V.

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Im Schlund des Teufels

Drei Erzählungen von Edgar Allan Poe,

Musik von Andreas Düker


Zwei Männer in Lebensgefahr. Ort und Zeit des Schreckens könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch gleichen sich die Schicksale. Der eine treibt hilflos im Sog gewaltiger Wassermassen vor der norwegischen Küste dem sicheren Tod entgegen, der andere ist in der Finsternis unterirdischer Verliese der Willkür sadistischer Folterknechte ausgeliefert. Trotz aussichtsloser Lage versuchen beide aber das Unmögliche: dem sicheren Tod entkommen. Ihr Überleben ist der Triumph menschlicher Vernunft über die blinden Kräfte der Zerstörung.


Zwei Männer in den Fängen der Pest. Durch einen pestverseuchten Stadtteil Londons streifend geraten die Matrosen Tarpaulin und Bein in die unheimliche Gesellschaft der leibhaftigen Krankheit: König Pest und sein Hofstaat nehmen sie als Gäste in die erlauchte Runde auf. Der finalen Aufforderung, sich zu Tode zu trinken, begegnen die beiden Trunkenbolde mit dem Mut der Berauschten. Sie packen die aristokratischen Gruselgestalten beim Kragen und kämpfen sich den Weg zu Licht, Luft und Leben kurzerhand wieder frei.


Edgar Allan Poe, Meister schwarzer Romantik und Wegbereiter des psychologischen Kriminalromans, spannt mit seinen fantastischen Erlebnisberichten einen Bogen vom naturgegebenen zum menschengemachten Schreckensort, vom todbringenden Naturwunder zum Folterkeller, von der üblen Spelunke zum Totentanzambiente. Andreas Düker steuert mit Laute und E-Gitarre die akustischen Bilder der drei unterschiedlichen Höllenvisionen Edgar Allan Poes bei.


Premiere: 12.07.2008 / Altes Rathaus Göttingen / Eine Produktion für den GÖTTINGER KULTURSOMMER

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7 Orte
Eine Stadtrauminszenierung 1


Sieben Orte in der Göttinger Innenstadt werden zu Bühnen für Tanz und Lyrik, Minidramen und chorisches Theater. Die Themen der Aktionen sind dabei so vielfältig und widersprüchlich wie die Geschichte der Orte, an denen sie stattfinden. Während eines rund 75minütigen geführten Rundganges eröffnen sich den Zuschauern neue Blickwinkel auf vertraute, im Alltag oft wenig beachtete Stätten im öffentlichen Raum. Reale Stadtgeschichte und künstlerische Fiktionen verbinden sich auf diese Weise zu einem neuen und kontrastreichen Bild der Stadt.


stille hunde und art la danse - Die Göttinger Ballettschule haben anlässlich des Tages des offenen Denkmals einen szenischen Rundgang in drei Durchgängen konzipiert. Die Route führt von der Alten Fechthalle über Orte in der westlichen Altstadt bis zum Nabel und zurück.


Premiere: 14.09.2008 / Eine Koproduktion mit der Göttinger Ballettschule art la danse für den TAG DES OFFENEN DENKMALS

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Die kleine Raupe Nimmersatt
Stück für Kinder ab 4 Jahren nach dem Bilderbuch von Eric Carle


Wenn man am Montag feststellt, dass der beste Freund beschlossen hat, krank zu sein und sieben Tage lang einfach nur daliegen will, dann ist in der Woche der Wurm drin. Jetzt muss man jeden Tag einen Krankenbesuch machen, still am Bett sitzen und die ganze Zeit über nett sein, damit es dem armen Kerl schneller besser geht. Wie langweilig! Was soll man bloß mit einem Freund anfangen, der überhaupt keine Lust hat auf Kartenspielen, Fußball oder auf In-der-Sonne-sitzen-bis-man-ganz-rot-ist? Den nichts bewegen kann, wenigstens ein bisschen mit dem Kranksein aufzuhören? Am besten man hat neben Geduld einen guten Plan. Wie schön, dass es da ein Tier gibt, das für Aufregung sorgt: eine kleine grüne Raupe, die kaum aus ihrem Ei geschlüpft, immer unterwegs ist auf der Suche nach etwas, das sie auffressen kann. Denn, soviel ist klar, sie muss fressen, damit aus ihr mal etwas Ordentliches wird. Und mit diesem sehr hungrigen Haustier beginnt eine Woche voller Überraschungen.


Dem amerikanische Grafiker und Autor Eric Carle ist mit seinem Bilderbuch über die immer hungrige kleine grüne Raupe wohl ein Jahrhunderterfolg gelungen. Die Geschichte, mit der Kinder die Abfolge der Wochentage und Zahlen spielerisch lernen können, hat seit ihrem Erscheinen einen beispiellosen Siegeszug weltweit durch die Buchhandlungen, Kinderzimmer und Kindergärten angetreten. Stefan Dehler und Christoph Huber haben aus dem Kult-Bilderbuch eine vierzigminütige trickreiche szenische Dramatisierung für Kindergarten- und Grundschulkinder entwickelt, die die berühmten Fressorgie der Titelheldin in eine spannende Rahmenhandlung einbettet.


Premiere: 19.09.2008


Pressestimme


Mit „Die kleine Raupe Nimmersatt“ hat Eric Carle einen Klassiker der Kinderbuchliteratur geschaffen. Stefan Dehler und Christoph Huber haben sich das Werk vorgenommen für ihre erste Produktion ihrer neuen Theaterfirma „stille hunde“. Am Freitag war im Göttinger Apex Premiere.


Viele bunte Bilder, aber fast kein Text. Gerade diese Hürde empfanden Dehler und Huber als Herausforderung und entwickelten eine Rahmenhandlung. Zwei beste Freunde, der eine hat beschlossen, sieben Tage im Bett zu bleiben. Er ist krank, „noch viel, viel schlimmer“. Der andere fürchtet aufkommende Langeweile. Nicht mehr ins Schwimmbad? Nicht mal Fußballspielen im Hof? Also versucht er, den siechen Kumpel zu motivieren, allerdings mit wenig Erfolg.


Erst eine kleine Raupe, die aus ihrem Ei schlüpft, bringt den Freund aus dem Bett. Gemeinsam folgen sie dem Tier auf seinem Fresspfad. Denn es nagt sich durch alles, was essbar ist: zwei Birnen, drei Pflaumen, vier Erdbeeren, fünf Apfelsinen. „Doch satt war sie immer noch nicht“. Ein paar Gummiringe reichen Dehler, um aus einem Handtuch eine zauberhafte kleine Raupe zu basteln. Er und Huber schnippeln aus bunten Pappen Obst mit Löchern, dass die Schnipsel nur so fliegen.


Gut dreißig Minuten brauchen sie, um aus der gefräßigen Raupe einen hübschen Schmetterling werden zu lassen. Die Kinder in der Premierenvorstellung folgten aufmerksam und hatten offensichtlich ihren Spaß. Und gefürchtet hat sich auch niemand. Gute Unterhaltung.


Göttinger Tageblatt, 22.09.2008

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Siegfried. Das Lied der Nibelungen – leicht gekürzt
Eine kabarettistische Attacke auf ein Nationalepos


Wer von Natur aus kein hartgesottener Kämpe ist, dem muss eine PR-Agentur wenigstens zu diesem Image verhelfen: Prinz Sigi wird von professionellen Beratern zum metrosexuellen Athletentyp stilisiert, dem man Kämpfe gegen Drachen und böse Zwerge organisiert. Am Königshof in Worms kommt der frischgestylte Held mit seiner legendären Beute, einem Zauberschwert, einer Tarnkappe und einem Goldschatz bestens an. Er soll König Gunthers Brautwerbung um die bärenstarke isländische Königin Brunhild tatkräftig unterstützen. Als Lohn winkt ihm die Ehe mit der schönsten Frau des Rheins, Kriemhild, die Schwester des Königs. Leider muss der Held auch in Worms mit seiner Tarnkappe für Gunther einspringen, denn Brunhild verweigert sich ihrem angetrauten Weichei im Ehebett. Nachdem er die Widerspenstige für den König überwältigt hat, kommt Sigi auf den dummen Einfall, sich heimlich zwei Trophäen mitzunehmen: Brunhildes Gürtel und ihr Ring. Als Gunthers Ehefrau beides in den Händen von Kriemhild sieht, schwant ihr, dass sie hereingelegt wurde. Sie bläst zur Hatz auf den Helden. Bei einem Jagdausflug ereilt Sigi sein Schicksal. Die Getreuen der Königin meucheln ihn hinterrücks. Und so verendet ein Held jämmerlich an einem Speerstich, um schnurstracks von den Barden in die Untersterblichkeit geklampft und gesungen zu werden.


Die satirische Betrachtung des populären Heldenmythos ergänzt das Repertoire von stille hunde um einen fast schon und beinahe nicht mehr literarischen Kabarettabend. Kurz und knapp erzählen drei Darsteller in fliegendem Rollenwechsel die Siegfried-Sage nach, scheuen sich nicht vor Kürzungen und Improvisationen, kruder Dramaturgie und kruden Stilmitteln.


Premiere: 14.11.2008 / APEX, Göttingen


Pressestimme


[…]  Kaum sitzt der letzte Besucher auf seinem Platz, da strömen auch schon die drei Akteure in den Raum und wirbeln geschäftig umher. Die Zuschauer wissen noch gar nicht, wie ihnen geschieht, schon befinden sie sich mitten drin, in einem Schauspiel, das auf verrückte Weise eine völlig neue Interpretation einer alten Sage zeigt. Dabei nehmen die drei Schauspieler kein Blatt vor den Mund, und alle Mittel der Verblüffung werden eingesetzt, ihre Bühne erstreckt sich über den gesamten Raum. So wird während des Stückes genüsslich ein halbes Hähnchen verspeist, es wird gesungen, auf kleine Kartoffelmännchen eingehauen, aber vor allem wird gelacht.


Um an Beliebtheit zu gewinnen soll Prinz Sigi mit Hilfe einer professionellen Imageberatung zu einem metrosexuellen Mann verholfen werden. Dafür muss er gegen einen Drachen kämpfen und erhält neben seinen übermenschlichen Kräften durch das berühmte Bad im Drachenblut, bei dem nur ein kleiner Fleck auf seiner Schulter ungeschützt bleibt, noch eine Tarnkappe, die ihn unsichtbar macht, ein Zauberschwert und jede Menge Gold. Doch um Kriemhild – die Frau seiner wilden Fantasien – heiraten zu können, muss er zunächst ihrem Bruder – dem weichlichen König Gunther – zu der Eroberung Brunhildes – der Frau seiner Träume – verhelfen.


Eine Geschichte, die viele schon einmal gehört haben. Denkt man zumindest. Denn durch die Mischung einer alten Sage mit modernen Themen und katastrophalen Rollenkollisionen, wird die ganze Geschichte völlig neu interpretiert. Aus dem starken Siegfried wird der beschränkte Sigi, der nichts weiter im Kopf hat, als das Verführen von Frauen. So begegnen einem während der Vorführung gleich mehrere Seiten dieses Helden, etwa wenn dieser gerade noch rechtzeitig daran gehindert wird sich auf der Bühne auszuziehen, um den Anweisungen des Erzählers folgend im Drachenblut zu baden oder wenn er sich stöhnend auf die Treppenstufen fallen lässt und stolz die Trophäen seiner Eroberung über Brunhildes gut geschützte Jungfräulichkeit zu präsentieren.
Mit fliegendem Rollenwechsel wird die Geschichte in knapp zweieinhalb Stunden auf die Bühne gebracht. Um den Mangel an Schauspielern auszugleichen, springen zwischenzeitlich selbstgebastelte Kartoffelmännchen als Zwerge ein, und auch der Drache sieht einer Kartoffel mit einem Girlandenschwanz überraschend ähnlich.


Da Tasha Skowronek das einzige weibliche Mitglied der stillen hunde ist, spielt sie sowohl die junge durchtriebene Kriemhild als auch die starke Brunhild mit dem immerwährend grimmigen Blick. Interessant wird die Rollenverteilung vor allem dann, wenn sich beide Figuren gegenüberstehen und heftig miteinander streiten. Eine vielleicht ebenso skurrile Situation entsteht, als Brunhild den beiden Gehilfen den Auftrag erteilt, Sigi zu töten, denn einer der beiden Gehilfen spielt gleichzeitig die Rolle des Mordobjektes.


Mit viel Witz und Parallelen zu aktuellen politischen Ereignissen – wie beispielsweise die Finanzkrise oder den Dopingskandalen – schafft es die Gruppe die Lachmuskeln der Zuschauer zu Höchstleistungen anzuspornen und dafür zu sorgen, dass das Stück noch eine ganze Weile in den Köpfen der Zuschauer bleibt. Mit Gesang, Musik und viel theatralischem Können wurde dieser Abend zu einem unterhaltsamen Ereignis. […]


Sunny Side Up, Ausgabe 6 / 2009

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Generationen kommen, Generationen gehen, hirschlederene Reithosen bleiben bestehen
Ein Balladenduell


Die Ballade. Oh je! Ein Stoßseufzer entringt sich den Eingeweihten, während sich die Ahnungslosen fragen: Was ist das eigentlich? Was vor etwas mehr als fünfzig Jahren noch in Ehren gehaltenes literarisches Allgemeingut war (ja bisweilen geradezu im Rang nationaler Kunstwerke stand), was da in den guten Stuben und in den Schulzimmern landauf und landab mal leidenschaftlich deklamiert, mal kraftlos heruntergeleiert wurde, scheint heute größtenteils vergessen. Oder zu einem unwürdigen Dasein in der Zitatenramschkiste der Popkultur herabgekommen. Hand aufs Herz: Die Zeiten sind lausig geworden für die Ballade, jenes lyrische Mittelformat der verdichteten, zumeist gereimten Kurzerzählung von unerhörten Begebenheiten, heldenhaften Menschen, Tieren oder sonstigen Sensationen.


So ganz von ungefähr kommt der Niedergang der Ballade natürlich nicht. Der Zeitgeist sperrt sich inzwischen vehement gegen das zumeist als pathetische und moralinsauer empfundene Gedröhn der Verse. Die besungenen Ritter und Jungfrauen, Dolchträger und Tyrannen, die opferbereiten Bürgen und treuen Freunde, die kinderstehlenden Naturgeister und fahrenden Sänger waren ja schon zu Goethes und Schillers Zeiten nostalgisch verbrämtes Märchenzubehör. Heute taugen sie weniger denn je zum Träger einer ernsthaften Botschaft. Dabei hat die Ballade aber unbestritten ihre Qualitäten. In ihrer dramatischer Zuspitzung übertrifft sie das Theater, in Kürze und Prägnanz die Novelle und den Roman. Mit gut und spannend erzählten Geschichten kann die Ballade also allemal aufwarten.


Dass mit der Ballade doch noch der eine oder andere Blumentopf zu gewinnen ist, wollen Christoph Huber und Stefan Dehler unter Beweis stellen. Die beiden haben sich in die Tiefen (und Untiefen) deutschsprachiger Gedichtsammlungen gewagt und Bekanntes wie Unbekanntes zusammengetragen. Nun laden sie mit dem, was sich hören lassen kann, alle Balladenfans zu einem nicht immer geschmack- und stilsicheren Vortragsduell ein, bei dem die titelgebenden Reithosen unter anderem Tauchern und Erlkönigen, Birnbaumpflanzern und Steuermännern angedient werden.


Premiere: 21.11.2008 / Stadtbibliothek Göttingen

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Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat
Stück für Kinder nach dem Bilderbuch von Werner Holzwarth und Wolf Erlbruch


Geschichten sind ein wunderbares Geschenk. Vor allem, wenn sie von einem Tier berichten, das man so gut wie nie sehen kann, weil es im Verborgenen lebt und nur ganz selten ans Tageslicht kommt. Ein Tier wie ein Maulwurf beispielsweise. Wenn einem solchen Tier auch noch etwas Aufregendes passiert, dann ist es eine fast schon perfekte Geschichte. Und so beginnt sie: Der kleine Maulwurf schaut gerade aus seinem Hügel heraus, um nachzusehen, ob die Sonne schon aufgegangen ist. Da fällt etwas vom Himmel. Es ist rund und braun und sieht ein bisschen wie eine Wurst aus. Und das Schlimmste: Es fällt ihm auf den Kopf. Weil das, was ihm da auf den Kopf gefallen ist, überhaupt nicht dahin gehört, ist der Maulwurf sehr wütend. Er will wissen, wer ihm auf den Kopf gemacht hat, und begibt sich auf den Weg, um den Übeltäter zu finden. Jedes Tier, das ihm begegnet, wird verhört und muss seine Unschuld augenfällig beweisen...


Christoph Huber und Stefan Dehler haben mit einfachen Theatermitteln aus dem Kult-Bilderbuch ein anarchisches Stück Clowntheater gemacht, das nicht nur den kleinen Zuschauern gefällt, sondern auch Erwachsenen Spaß macht.


Premiere: 26.11.2008 / Alte Fechthalle Göttingen


Die Produktion basiert auf der künstlerischen Konzeption, die das Team für das Deutsche Theater Göttingen bereits 2006 realisiert und als Ensemblemitglieder bis 2008 gespielt hat.

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Krabat
nach dem sorbischen Volksmärchen


Über zwanzig Jahre sind vergangen, seit Krabat aus der Armut seines Elternhauses in die verbrecherische Welt des Teufelsmüllers geflohen ist. Die Zeit seiner Jugend ist längst zur Legende geworden. Vom Ort seiner Lehrjahre, die abgelegene Mühle, in der er gemeinsam mit elf anderen Müllerburschen die Schwarzen Künste erlernte, sind nicht mehr als ein paar verkohlte Balken übrig. Krabat lebt unerkannt als ehrbarer Bauer in einem Dorf in der Nähe. Seine magischen Fähigkeiten setzt er im Verborgenen ein, um den armen Dörflern der Umgebung das Leben zu erleichtern. Nur seine Frau, die ihn als junges Mädchen aus den Händen des Schwarzen Müllers befreite, teilt seine Geheimnisse. Aber die Geister der Vergangenheit lassen Krabat nicht los. Nachts, wenn er seine Zauberkräfte anwendet, kommen die Erinnerungen. Krabat beginnt, die Geschichte seiner Jugendjahre aufzuschreiben - und Mühle, Müllerburschen, der Müller und der Teufel erwachen zu neuem, spukhaften Leben.


stille hunde erzählen mit einfachen Theatermitteln die Geschichte des jungen Krabat in Form von Rückschauen nach: Menschen, die inzwischen Einblick in die verhängnisvollen Mechanismen der Verführung und der Gewalt gewonnen haben, berichten, kommentieren und befragen sich. Mit dem Bild des erwachsenen Krabat knüpft stille hunde an die Tradition des sorbischen Volksmärchens an, die die Figur vor allem als geläuterten Schwarzkünstler kennt, der um sein Seelenfrieden ringt und als heimlicher Wohltäter Sühne für den einstigen Teufelspakt leistet. Mit Krabats Ehefrau kommt in dieser neuen Bühnenfassung des Stoffes zudem eine realistische Figur ins Spiel, die den Heldenmythos um eine weibliche Perspektive bereichert.


Öffentliche Voraufführung im Rahmen der 2. TANZ KULTUR WOCHE GÖTTINGEN: 25.11.2008 / Premiere: 30.11.2008 / Alte Fechthalle Göttingen


Pressestimme


Die Zeit des 30-jährigen Krieges ersteht in der Alten Fechthalle: Die „Stillen Hunde“  zeigen das Stück „Krabat“ nach dem sorbischen Volksmärchen. Die Not ist groß dieser  Tage. kein Brot, kein Korn, auch die letzte Ziege wird den Dorfbewohnern von  brandschatzenden Truppen genommen.


In dem hohen Raum der Fechthalle braucht das Theater nicht viel: eine große, rechteckige  Fläche, deren hinterer Teil mit schwarzer Gaze übermannshoch halbdurchsichtig verdeckt  wird. Auch die Ausstattung ist reduziert: Die lichte Kargheit treibt die Geschichte auf  gute Weise an, bringt die Konzentration auf Inhalt, Text und Form auf den Punkt.


Der schwarze Müller (Christoph Huber) treibt seine zwölf Burschen erbarmungslos an, und  auch der junge Bauernsohn Krabat (Stefan Dehler) fällt in seine Hände. Schwer wiegen die  Mehlsäcke, die er zu schleppen hat, schwerer noch der Pakt mit dem Teufel und schwarzer  Magie, die hinter allem steht.


Zwölf Paar Gummistiefel vertreten die Burschen, ihre unterschiedlichen Eigenschaften  bieten die einprägsamen, fast rituellen Beschreibungen plastisch dar. Nachts werden sie  zu Raben, verdeckt in zwölf Kisten. Sie müssen ausfliegen oder das böse Zaubern lernen. Die Liebe des Bauernmädchens (Tasha Skowronek) ist wie ein Versprechen immer anwesend  und hat allein die Macht, dem Teufel die seine zu nehmen. Auch Freundschaft ist für diese  Entwicklung notwendig.


Bei aller äußeren Reduktion birgt das Spiel der drei größte Fülle, füllt die Geschichte  ganz, erfüllt den Raum. Die Erzählebenen des rückblickenden und handelnden Krabat  verschränken sich konsequent und auch die Rollenwechsel, die vollzogen werden, bieten  Konsistenz. Dabei verzichtet die Inszenierung auf das Insistieren der grausamen Momente  des Märchens, sie sind da, geben in angemessenem Maß Auskunft über Gewalt, Tod und  Zauberei. Die Düsternis aber kommt nicht von äußeren Effekten her, sie wohnt unverkennbar  dem Bösen inne, das zu vertreiben - fraglos immer und aktuell - möglich ist.


Göttinger Tageblatt, 06.12.2008




2009

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Die Leiden des jungen Werthers
Szenische Lesung des Romans von Johann Wolfgang Goethe


Werther schreibt sich die Seele aus dem Leib, so scheint es. Seine Briefe an den besten Freund zeichnen in grellen Farben das Bild eines orientierungslosen Menschen, zerrissen zwischen unbändiger Lebensgier und demoralisierendem Weltekel. Die Hierarchie und die Konventionen der absterbenden Ständegesellschaft, die moralische und philosophische Enge in Köpfen des Bürgertums, die biedere Bildungsbeflissenheit, die Obrigkeitshörigkeit und der Geschäftsinn seiner Mitmenschen - all dies stürzt Werther in tiefste Verzweiflung. Erleichterung findet er allenfalls in der Betrachtung unberührter Natur. Sein Leben erfährt eine ungeahnte Wendung zum Rauschhaften, als er Lotte, die bereits verlobte Tochter des Wetzlarer Amtmanns, begegnet. Beflügelt vom Gedanken, die Zuneigung und die Liebe dieses Mädchens zu erringen, wird er völlig blind für die Spielregeln der Gesellschaft. Bestürzt liest sein bester Freund aus den schwärmerischen Briefen, wie sich Werther zum untragbaren Ärgernis seiner Mitmenschen entwickelt -  und schließlich jede Hoffnung auf Glück mit einem Pistolenschuss zunichte macht.


Tasha Skowronek, Christoph Huber und Stefan Dehler stellen die wesentlichen Passagen aus Goethes epochemachenden Briefroman in einer szenischen Lesung vor und geben Goethes Helden Stimme und Gesicht.


Premiere: 23.01.2009 / APEX, Göttingen

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Holmes! Watson! Morden ist menschlich, ermitteln göttlich: Der Hund der Baskervilles

Szenische Lesung des Romans von Arthur Conan Doyle


Die Geschichte des Verbrechens ist die Geschichte der menschlichen Natur. Und sie ist die Geschichte seines beständigen Scheiterns – das muss man zumindest annehmen, wenn man seine Überzeugung nicht auf wissenschaftliche Untersuchungen und Fakten, sondern auf die schönegeistige Literatur stützt. Angefangen bei den biblischen Erzählungen berichtet die Kriminalliteratur bis heute – Gott sei dank - vom letztlich erfolglosen Täter. Dass Adam und Eva erwischt und aus dem Paradies geworfen wurden, dass der Mord an Abel kein Rätsel blieb, ist dem Scharfsinn einer göttlichen Instanz zu verdanken.


In der gottlosen Welt des Krimigenres musste diese Rolle der Detektiv übernommen. Den Idealtypus des mit  fast übermenschlichen Fähigkeiten, auf jeden Fall aber gottgleichem Selbstbewusstsein ausgestatteten Helden verkörpert bis heute unangefochten die Figur des Sherlock Holmes. Intelligenter und leidenschaftsloser, aber auch unzugänglicher und eigenbrötlerischer  wurde vor und nach ihm kein genialischer Ermittler geschildert. Wenn Sherlock Holmes auf den Plan tritt, ist sein Tun dem staunenden Beobachter ein Rätsel, ein dunkler, quasi künstlerischer Vorgang, und die Entlarvung des Täters besitzt immer den unanständigen Charme eines nicht zu durchschauenden Zaubertricks. Dabei geht bei Holmes tatsächlich alles stets mit rechten Dingen zu.


Der Erfolg des schlauen Ermittlers beruht auf wissenschaftlichen Methoden, auf genauer Beobachtung und logischer Schlussfolgerung. Mit dieser geschickten Mixtur – der Detektiv als Künstler und Wissenschaftler - hat der Autor, der schottische Arzt und Schriftsteller Arthur Conan Doyle, einen Massengeschmack getroffen. Die Figur des Sherlock Holmes hat so sehr Popularität gewonnen, dass ihre tatsächliche Beschränktheit auf die Welt der literarischen Fiktionen hier und da aus dem Bewusstsein geraten ist. Immer noch und immer wieder nehmen Menschen an, es handele sich bei dem legendären Detektiv um eine historische Person, die wirklich gelebt und ermittelt hat. Vielleicht äußerst sich gerade darin das Bedürfnis nach Rettung vor der eigenen Natur. Der gottgleiche Holmes ist ein Garant für die Unterlegenheit des Bösen. Bis heute.


Stefan Dehler und Christoph Huber folgen mit ihrer szenischen Lesung den Spuren des berühmten Detektivs und seines Biografen Dr. Watson. Im Mittelpunkt ihres literarischen Abends steht der Roman Der Hund der Baskervilles, der die Helden in die Sphäre des Übernatürlichen zu führen scheint: Das Erscheinen eines Gespenstes in Form eines riesigen Hundes soll den Großgrundbesitzer Sir Charles Baskerville zu Tode erschreckt haben. Das Leben des jungen Erben Sir Henry scheint ebenfalls in Gefahr. Kurzerhand wird Watson als Leibwächter abkommandiert und berichtet in den kommenden Tagen von verdächtigen Umtrieben rund um den Landsitz der Baskervilles. Dass weder Gott noch Teufel für den Spuk verantwortlich ist, versteht sich von selbst. Wer aber hinter all dem steckt, kann nur einer herausfinden: Sherlock Holmes.


Premiere: 06.02.2009 / Stadtbibliothek Göttingen / Eine Produktion für die Veranstaltungsreihe DIE LANGE NACHT DER LITERATUR des Arbeitskreises der südniedersächsischen Bibliotheken

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Die Besserung
nach Berichten ehemaliger Häftlinge des Jugendkonzentrationslagers Moringen


Als die Jugendlichen Wilhelm und Franz 1942 im Konzentrationslager Moringen inhaftiert werden, schwören sie sich Freundschaft. Der Terror des Lagers trennt sie. Fünfzig Jahre später schreibt Franz auf dem Sterbebett einen Brief an den einstigen Mithäftling. Was er nicht weiß: Wilhelm ist längst verstorben. Der Brief, der nicht zugestellt werden kann, erweist sich als schweres Erbe für die Söhne der beiden ehemaligen KZ-Insassen. Zwei Männer, die sich vorher nie begegnet sind, beginnen, über die Jugend ihrer Väter in der NS-Zeit zu sprechen.


Das rund einstündige Stück, das in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Moringen entstand, ruft die Geschichte des niedersächsischen Lagerortes Moringen ins Bewusstsein und greift mit einem Fallbeispiel aus der regionalen Geschichte das Thema „Jugend im faschistischen Deutschland“ auf. „Die Besserung“ schildert die Schicksale zweier von den faschistischen Behörden als „asozial“ eingestufter, jugendlicher Insassen. Eingebettet ist diese Erzählung in einer Rahmenhandlung, in der zwei Söhne sich mit den traumatischen Lebenserfahrungen ihrer Väter auseinandersetzen. Damit bringt das Stück eine lange verschwiegene und vergessene Einrichtung der Nationalsozialisten in Südniedersachsen, der während der NS-Zeit überregionale Bedeutung zukam, wieder in Erinnerung, thematisiert die Verletzung der Menschenrechte während des Terrorregimes der Faschisten und problematisiert das Kriterium des „Asozialen“, das in der Mehrzahl der Fälle zur Inhaftierung von jugendlichen Männer in Moringen führte. Daneben wird gezeigt, dass die Opfer in der Extremsituation des Lagers moralische und soziale Vereinbarungen untereinander aufgeben - um zu überleben.


Premiere: 26.03.2009 / Max-Planck-Gymnasium Göttingen / Eine Koproduktion mit der KZ-Gedenkstätte Moringen, gefördert mit Mitteln des Landschaftsverbands Südniedersachsen e.V.


Pressestimme


Die beiden Männer sind um die vierzig, als sie sich zum ersten Mal treffen. Ihre Väter waren zusammen in einem Lager der Nationalsozialisten, in der sogenannten Jugendschutzanstalt Moringen. Was ihnen dort wiederfuhr, davon wussten die Söhne lange nichts. Erst als Franz im Winter 1991 mit Lungenkrebs im Krankenhaus die letzten Monate seines Lebens verbringt, erzählt er seinem Sohn von den Ereignissen vor 50 Jahren und schreibt einen Brief an seinen damaligen Freund Wilhelm Priebe. Den jedoch erreicht der Brief nicht mehr, er ist zehn Jahre zuvor ums Leben gekommen. Und so wird sein Sohn zum Empfänger.


Hier setzt das Stück „Die Besserung“ an, das die „Stillen Hunde“ in Kooperation mit der KZ Gedenkstätte Moringen auf Grundlage von Zeitzeugenberichten entwickelt haben. Christoph Huber und Stefan Dehler haben das für das Klassenzimmer konzipierte Stück im Max-Planck-Gymnasium in Göttingen zum ersten Mal gezeigt. Die Zuschauer der Premiere sitzen, wie später auch die Schüler, in deren Schule die Aufführung stattfindet, an Schultischen.


Ein Mann im grauen Anzug steht am Fenster, ein zweiter kommt herein. Der Rahmen der Geschichte spannt sich in der Begegnung der beiden Söhne auf. Schnell beginnt Huber als Sohn Franz‘ zu erzählen, was er die Jugend des als schwer erziehbar, als „abnorm, abartig und untragbar“ eingeschätzten Jungen wusste. Mit überaus sparsamen, aber wirkungsvollen Requisiten – Jacken, Kittel, Brillen und vor allem ein Kalender, der zwischen 1941 und 1992 Blatt für Blatt umschaltet – schaffen Huber und Dehler verschiedene Figuren, Räume und Szenen. Vom schreienden Nazi-Vater über den moralisierenden Heimleiter und den sich dem Jungen anbiedernden Lagerarzt Dr. Ritter bis zum lungenkranken Vater und eben den beiden Söhnen.


Zwei Figuren verkörpern die Schauspieler dabei nicht: die gemaßregelten Jugendlichen selbst. In den Dialogen um sie herum jedoch, in denen sie bisweilen fiktiv angesprochen werden, entstehen sie mit großer Deutlichkeit. In authentischen Ausschnitten aus Akten der sogenannten „Pubertätsversager“ und „Herumtreiber“ vermittelt sich etwas von der Grausamkeit, die dem Vokabular der Zeit anhaftet, vor allem aber auch von den rücksichtslosen Züchtigungen. Von herabwürdigenden Methoden, geschorenen Köpfen, Zwangsarbeit und Häftlingskleidern, von dünner Suppe und schweren Misshandlungen spricht Franz aus der Erinnerung. Und davon, wie er in diesem Lager, statt eine fragwürdige „Besserung“ zu erfahren, gelernt habe, zu stehlen, zu lügen und hart zu sein. Immerhin, er hatte, wie auch sein Freund Wilhelm, überlebt. Im Gegensatz zu den vielen, vielen anderen, den Juden, Sinti und Roma, Kommunisten, geistig behinderten und psychisch kranken Menschen oder den Jungen, die einfach nur Swing-Platten gehört hatten.


Den „Stillen Hunden“ gelingt eine sehr gute Adaption des Themas, die wesentliche Aspekte der Zeitdokumente vermittelt. Sie versuchen nicht, Jugendliche darzustellen, sondern lassen diese Stelle bewusst leer – eine Leerstelle, die mit Fakten und Fragmenten gefüllt wird.


Göttinger Tageblatt, 30.03.2009

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Die Wahrheit langweilt mich, also lüg' ich: Münchhausens Abenteuer

Ein literarischer Wettstreit mit den fantastischen Erzählungen Gottfried August Bürgers und anderen unglaublichen Geschichten, die das Leben schrieb. Oder auch nicht.


Er schlug sich angeblich Funken aus den Augen, prügelte einen Fuchs aus dem Fell, fing zwanzig Enten mit einem Stück Speck und einer aufgedrehten Hundeleine, er seilte sich vom Mond ab und ließ dem osmanischen Sultan im Handumdrehen eine Flasche besten Tokaiers aus dem Weinkeller der Kaiserin Maria Theresia holen - von diesen unglaublichen Leistungen eines weltgereisten Tausendsassas berichtet Gottfried August Bürgers Lebensgeschichte des Barons von Münchhausen. Dass nichts oder nur wenig von dem Erzählten tatsächlich auf den  historischen Freiherrn von Münchhausen zurückgeht, ist bedauerlich, hat aber dem internationalen Erfolg der fiktiven Lebensgeschichte keinen Abbruch getan. Im Gewand des Lügenbarons hat der Name Münchhausen die Zeiten überdauert und ist zum Synonym für Aufschneiderei und Lüge geworden, eine Gleichsetzung, die den historischen Freiherrn sicherlich sehr geschmerzt hätte. Aber alles hat seinen Preis. Die Kunst hat Münchhausen das wahre Leben genommen und dafür ein ewiges, aber falsches gegeben.


Stefan Dehler und Christoph Huber haben sich nun Gottfried August Bürgers Meisterwerk der fantastischen Literatur wieder einmal vorgenommen und wetteifern mit den satirischen Erzählungen - die im originalen Wortlaut und ohne die kinderbuchgerechten Kürzungen nichts von ihrer satirischen Kraft eingebüßt haben - um den guten Glauben des Publikums. Angeheizt wird das Duell der beiden mit unglaublichen, aber wahren Geschichten, die das Leben schrieb - oder eben auch nicht.


Wiederaufnahme der Produktion aus dem Jahr 2005: 23.05.2009 / APEX, Göttingen

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Händel für Teens: Vom werten Sachsen zum bezaubernden Viech

Eine musikalische Biografie Georg Friedrich Händels


Wenn einer was werden will, dann muss er sich in der Welt umsehen. Und wenn einer Talent hat, dann erst recht. Als Georg Friedrich Händel aus der musikalischen Provinz in die Weltstadt Hamburg aufbrach, ahnten weder er selbst noch seine Eltern, dass aus dem musikbegabten jungen Kerl einer der strahlkräftigsten Sterne am europäischen Musikhimmel werden sollte. Die Stationen seiner Karriere waren glücklich gewählt: Als Orchestermusiker und Komponist an der Hamburger Gänsemarktoper lernte Händel den Musiktheaterbetrieb gründlich kennen und verdiente sich die ersten Sporen als Komponist. In Neapel, Venedig und Rom kam er in Kontakt mit der musikalischen Elite Europas. Was er hier sah, hörte und lernte, war bestimmend für sein ganzes Leben. Als Hofkomponist des Königs von Hannover machte er eine eher schlechte Figur. Bald schon lockten ihn Angebote in die Metropole London, die bis zu seinem Lebensende Wohnort und Arbeitsstätte bleiben sollte. Hier, wo Handel und Wissenschaft, Geld und Adel zusammentrafen, wo ein reiches und selbstbewusstes Bürgertum die Theater und Konzertsäle füllte, wurde Händel vom abhängigen Künstler zum selbstbestimmten Geschäftsmann, der mit dem sicheren Instinkt für Markt und Meinung dem Publikum gab, was es gerade verlangte. War es am Anfang und für viele Jahre die Oper im italienischen Stil mit ihren sündhaft teuren Gesangsstars, so wurde es später das englischsprachige Oratorium, das ein Massenpublikum anzog und seinen Namen über seinen Tod hinaus bekannt machte. Am Ende seines Lebens war Händel kraft seiner Hände Arbeit ein vermögender Mann und in England beinahe schon so etwas wie eine nationale Institution.


Das szenische Konzert für Jugendliche ab zwölf Jahren wirft Schlaglichter auf die erstaunliche Karriere eines Musiker, der ein gebürtiger Deutscher war, zum musikalischen Italiener wurde und als englischer Staatsbürger starb, und von dem man mit Recht rückblickend sagen kann, er sei ein Popstar unter den Impresarios und Komponisten gewesen. Berichtet wird von Händels verblüffenden Höhenflügen, von Skandalen, Querelen und Misserfolgen im Musiktheaterbetrieb, vom Genussmenschen und Grobian Händel, vom musikalischen Verführer und Hexenmeister: eben vom „caro sassone“, wie ihm das venezianische Opernpublikum begeistert huldigte, bis hin zum „charming brute“, dem orgelspielenden Schwein, als das ihn eine englische Karikatur lächerlich zu machen versuchte.


Den musikalischen Rahmen spannt dabei der Göttinger Knabenchor und das Göttinger Symphonie Orchester unter der Leitung von Michael Krause mit Auszügen aus einem der berühmtesten Werke des Komponisten: Der Messias. Mit von der Partie sind unter anderen der Countertenor Michael Lieb und die Sopranistin Lavinia Dames, die mit ihren Beiträgen die Stationen von Händels beruflichem Werdegang hörbar machen.


Premiere: 26.05.2009 / Aula der Universität Göttingen / Eine Produktion für die INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE GÖTTINGEN


Pressestimme


Mit Sprechchören und Spielszenen, Knabenchor, Sinfonieorchester und Gesangssolisten zogen Göttinger Schüler am Dienstag, 26. Mai, in der Aula der Universität alle Register, um eine gute Stunde lang aus dem Leben Georg Friedrich Händels zu erzählen.


Buntes venezianisches Volk erstürmte zu Beginn den Bühnenraum der Uni-Aula. Mit großem Hallo wurde ein neuer Erdenbürger begrüßt, „Georg Friedrich soll er heißen!“ Als Sprechchor gaben die Schülerinnen und Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums, ein jeder venezianisch gekleidet und mit Dreispitz geschmückt, die Lebensdaten eben dieses Georg Friedrich, des „lieben Sachsen“ wieder, beleuchteten in kleinen Spielszenen einzelne Stationen seines Lebens. In Hamburg der Streit mit dem Konkurrenten Matheson, in London die Zeremonien rund um die Aufführung der „Wassermusik“: Diese Episoden füllten die Schüler mit viel Leben.


Die Musik kam dabei keineswegs zu kurz. Michael Krause leitete das relativ groß besetzte Göttinger Symphonie Orchester sowie den Göttinger Knabenchor. Auszüge aus Händels „Messias“, der „Wassermusik“ und anderen Werken wechselten in lockerer Folge mit den Spielszenen. Dabei setzten die „stillen hunde“ Stefan Dehler und Christoph Huber, die dieses Komponistenporträt konzipiert und inszeniert hatten, auf straffes Timing: Eine Zauberoper soll in London erklingen, „mit Blitz und Donner“, ruft das Volk sich zu, „mit Schall und Rauch! Und mit einer Zauberin!“ – Und schon ist man bei „Rinaldo“ gelandet, bei der zu Herzen gehenden Arie der Almirena „Lascia ch’io pianga“, wunderschön und mit leuchtendem Sopran vorgetragen von Lavinia Dames. Auch Countertenor Michael Lieb erntete mit seiner koloraturreichen Bravourarie begeisterten Applaus.


„And he shall reign for ever and ever“: Mit dem zweiten Teil des berühmten „Halleluja“ ging eine überaus kurzweilige Stunde zu Ende, in der gelacht, gestaunt und in schönen Melodien geschwelgt werden durfte: ein Riesenspaß für Jung und Alt – leider nur vor rund sechzig Zuhörern.


Göttinger Tageblatt, 28.05.2009

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Bringst du Geld, so findest du Gnade: Reineke Fuchs

Szenische Lesung der Verserzählung von Johann Wolfgang Goethe


Dass sich die böse Tat nicht lohnt, ist ein weit verbreiteter Unsinn. Denn genau das Gegenteil ist in der Praxis der Fall, es kommt nur darauf an, wie geschickt man sich anstellt. Man darf halt keine Skrupel haben und sich nicht erwischen lassen, zumindest muss man sich zu helfen wissen, wenn es einem an den Kragen gehen soll. So hält es der Fuchs. Er stiehlt und mordet, ganz so wie es seine Art ist, und ganz so, wie es viele andere, der Bär und der Wolf, der Panther und der Tiger, eben nach Bedarf auch tun. Der Zorn der Tiere richtet sich aber allein gegen ihn. Die Opfer fordern Sühne, und die Starken hängen sich gern das Mäntelchen der Gesetzeshüter um, wenn es nicht gegen sie geht. Dass eine Gerichtsverhandlung aber eine leichte Übung für einen ist, der weder Gesetz noch Moral, dafür aber die Gier und die Dummheit der anderen gut kennt, versteht sich von selbst. Am Ende ist es wie so oft, der Fuchs ist Freund der Mächtigen geworden, und die Geschädigten stehen dumm da.


Goethes pointierte Nacherzählung des Volksepos vom gerissenen Fuchs, der kleine wie große Tiere zum Narren hält und sich selbst in Todesgefahr noch zu retten weiß, ist ein Meilenstein satirischer Dichtung. Das Werk hat bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt – traurig, aber wahr. Und: schön zu hören, denn der Dichterfürst hat die böse Geschichte in kunstvolle Verse gegossen. Stefan Dehler und Christoph Huber stellen Goethes „unheilige Weltbibel“ auf einer Wanderung durch die Scharzfelder Einhornhöhle in einer szenischen Lesung vor.

Premiere: 13.06.2009 / Einhornhöhle Scharzfeld

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Der Vampyr

Szenisches Projekt nach der Novelle von John Polidori

Choreografien von Ulrike Grell und Judith Kara
Musik von Andreas Düker

Nur wenige Werke hat der englische Romantiker John William Polidori in der hinterlassen, darunter allerdings eines von Bedeutung. Der einst jüngste Arzt seiner Zeit war Vertrauter und Reisebegleiter des exzentrischen und europaweit bekannten Literaten Lord Byron, als er 1816 Werk das schrieb, das seinen Namen der Nachwelt erhalten sollte und das eine Flut von Nachahmungen nach sich zog, die bis heute nicht abgeebbt ist: „Der Vampyr“ – eine Schauernovelle, in dessen Titelrolle, dem eleganten und unheimlichen Lord Ruthven, Polidoris Zeitgenossen ein Portrait des Dichters Byron erkannten.


Im Rahmen der 9. Göttinger Nacht der Kultur bringen stille hunde am Freitag, den 19. Juni 2010 ab 22 Uhr im Innenhof der Stadtbibliothek nun diesen literarischen Auftakt zur Mode der Vampirromane in einer szenischen Lesung zu Gehör. Den Originaltext hat Stefan Dehler nach einer alten Übersetzung neu bearbeitet. Ulrike Grell und Judith Kara von der Göttinger Ballettschule art la danse haben für das Projekt choreografische Elemente entwickelt. Die Musik, atmosphärische Klänge und Musikstücke aus der Entstehungszeit des Textes, steuert der Göttinger Lautenist Andreas Düker bei. Kostenlose Eintrittskarten für die Veranstaltung gibt es nur noch am Abend der Aufführung in der Stadtbibliothek.


Premiere: 19.06.2009 / Stadtbibliothek Göttingen / Eine Koproduktion mit der Stadtbibliothek Göttingen und der Göttinger Ballettschule art la danse dür die 9. GÖTTINGER NACHT DER KULTUR

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7 Orte
Eine Stadtrauminszenierung II


Sieben Orte in der Göttinger Innenstadt werden zu Bühnen für Tanz und Lyrik, Minidramen und chorisches Theater. Die Themen der Aktionen sind dabei so vielfältig und widersprüchlich wie die Geschichte der Orte, an denen sie stattfinden. Während eines rund 75minütigen geführten Rundganges eröffnen sich den Zuschauern neue Blickwinkel auf vertraute, im Alltag oft wenig beachtete Stätten im öffentlichen Raum. Reale Stadtgeschichte und künstlerische Fiktionen verbinden sich auf diese Weise zu einem neuen und kontrastreichen Bild der Stadt.


stille hunde und art la danse - Die Göttinger Ballettschule haben anlässlich des Tages des offenen Denkmals am 13. September einen szenischen Rundgang in drei Durchgängen konzipiert. Die Route führt von St. Albani bis zum Neuen Rathaus.


Premiere: 13.09.2009 / Eine Koproduktion mit der Göttinger Ballettschule art la danse für den TAG DES OFFENEN DENKMALS

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Käpten Knitterbart und seine Bande

Stück für Kinder ab 4 Jahren nach dem Bilderbuch
von Cornelia Funke und Kerstin Meyer


So ein Pirat hat es gut. Besonders natürlich, wenn er der Anführer ist. Dann muss er nämlich nicht die Segel flicken, das Deck schrubben, Kartoffeln schälen. Ein Piratenkapitän braucht nicht einmal seine eigenen Stiefel putzen. Das müssen die Männer seiner Bande für ihn erledigen. Damit das auch tatsächlich geschieht,  benötigt ein Piratenkapitän ein langes Messer, eine Pistole und eine sehr laute Stimme. Das sind drei Dinge, mit denen man Leuten nämlich eine Heidenangst einjagen kann. Und wenn Leute einen Heidenangst haben, dann machen sie alles, was ein Piratenkapitän will. Ach, ja, wenn er so richtig furchterregend wirken will, sollte sich ein Piratenkapitän einen Bart zulegen. Wenn der Bart nicht  schaurig schwarz ist, sollte er zumindest schaurig rot sein. Am besten auch ekelhaft knitterig. So wie beim Käpten Knitterbart. Der ist der gefürchtetste Pirat der Weltmeere. Genauer gesagt: Das war er mal. Nein, er ist nicht tot. Ihn gibt es noch. Er ist nur nicht mehr so gefürchtet. Wie es dazu kam? Na, das ist eine lange Geschichte – in der ausgerechnet ein kleines Mädchen dafür sorgt, dass dem bösen Piraten der Bart vor Angst mal so richtig schlottert.


Mit „Käpten Knitterbart und seine Bande“ zeigt stille hunde die dritte Theaterproduktion, die auf einem bekannten Bilderbuch basiert. Cornelia Funkes Erzählung vom schrecklichen Käpten Knitterbart wird in der Bühnenfassung zum Ausgangspunkt für eine Kinderfantasie: Einmal Pirat sein, ungestraft mit Messern herumfuchteln dürfen und anderen Menschen Angst machen. Die beiden Helden des Theaterstück erfinden sich eine abenteuerliche Welt, in der sie selbst die Hauptrollen spielen dürfen – aber sie beschwören auch eine ganze Reihe von Problemen herauf, die auf komische Weise gelöst werden müssen.


Premiere: 20.09.2009 / APEX, Göttingen


Pressestimme

 

Käpten Knitterbart ist der wildeste aller Piraten. Niemand ist vor seiner Bande sicher. Aber ein Schiff hätte er besser vorbeifahren lassen sollen. An Bord ist nämlich ein kleines Mädchen namens Molly, das dem Käpten so einige Streiche spielt, bis seine Mutter Berta es aus den Händen Knitterbarts befreit hat.


Mit nur wenigen Sätzen lässt sich der Inhalt des Bilderbuchs „Käpten Knitterbart und seine Bande“ von Cornelia Funke zusammenfassen. Die Geschichte verlangte den Schauspielern Christoph Huber und Stefan Dehler jedoch mehr als das ab. Die Göttinger Theatergruppe „stille hunde“ gastierte jetzt im Apex und zauberte mit der Premiere von „Käpten Knitterbart und seine Bande“ eine witzige, bunte Interpretation des Kinderbuchs auf die Bühne.


In der Rolle zweier Kindsköpfe – der eine angelt in der Toilette, der andere hat in einer Hand ein Buch, in der anderen ein Bügeleisen, um sein Hemd zu plätten – sitzen Huber und Dehler da. Lange geschieht nichts. Dann eine Idee: Eine Piratenschlacht könnte die Langeweile vertreiben.


Der Klo-Angler Huber wird zu Käpten Knitterbart, Dehler zu seiner Bande. Spielerisch flexibel wechselt er die Rollen vom Buckligen Bill über den Fiesen Freddy zum Kahlen Knud und verleiht durch gekonnt eingesetzte Gestik und Mimik jeder Figur einen neuen Charakter.


Mit viel Geschick und Ideenreichtum inszenieren sie ein Spiel im Spiel. Stets haben sie ihre Ausgangsrollen parat, welche hier und da in das Geschehen von Käpten Knitterbart eingreifen. Soll beispielsweise ein Piratenangriff härter oder eine Bestrafung milder ausfallen, so melden sich die ursprünglichen Figuren zurück.


Sie verwenden wenige Requisiten, funktionieren die Gegenstände aber geschickt um. So wird der Toilettenvorleger zum roten, zerknitterten Bart des Käptens und der Besenstiel zu seinem Holzbein. Das Rollenkarussell meistern die „stillen hunde“ und beweisen dem jungen Publikum mit spielerischer Leichtigkeit, wie bunt das Leben eines Piraten sein kann.


Göttinger Tageblatt, 22.09.2009

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Die Nibelungen

frei nacherzählt


Von den heimischen Wäldern kann heutzutage getrost behauptet werden, dass sie nahezu drachenfrei sind. Geschuldet ist dieser glückliche Umstand, dass sich in grauen Vorzeiten massenhaft kampfeslustige Ritter auf die Ungeheuer gestürzt haben, um sie nach allen Regeln der Kunst niederzumachen. Das den armen Fabelwesen bei diesem Ansturm testosterongebeutelter Jünglinge kaum noch Zeit zu Sex und Brutpflege geblieben sein kann, ist nur zu verständlich. Fazit: Sie sind ausgestorben – eine traurige Tatsache, die vor Urzeiten aber sicher begrüßt wurde: Die feuerspuckenden Viecher waren erschreckend
übel beleumundet; man rufe sich nur die Mär vom Jungfrauenkonsum in Erinnerung. Das Verschwinden der Monster war den Autoren der alten Heldengesänge verständlicherweise also keine Träne wert. Stattdessen lobten sie die Drachentöter als Menschheitsbeglücker übern grünen Klee. Besonders ein Recke hatte es den germanischen Lobhudlern angetan:der junge Siegfried. Diesem Jungspund eilte der Ruf als exorbitanter Bestienkiller voraus, als er sich in Worms nach Wein, Weib und Gesang umsah und sich anschickte, Recht und Gesetz auf die ahnungsloseste Weise auszuhebeln. Dass es trotz seines Bades
im unverwundbar machenden Drachenblut dann doch schlimm mit Siegfried endete, ist eine böse Ironie der Geschichte. Wie weiland der Lindwurm wurde der Ritter bekanntlich Opfer eines perfiden Ausrottungsplanes und verreckte an einem herzberührenden Speerstich irgendwo in achsogrüner Waldeinsamkeit. Fazit: Auch die edlen Helden, sie gibt es nicht mehr. Ausgestorben. O wehe.


Im urzeitlichen Ambiente des Naturdenkmals Einhornhöhle lassen Stefan Dehler und Christoph Huber die mythischen Gestalten der Nibelungensage lebendig werden. Die „Blaue Grotte“ – die für eine Verfilmung des Nibelungenstoffes in den siebziger Jahren schon einmal als Kulisse des legendären Drachenkampfes gedient hat, wird dann wieder zum Ort des berühmten Gemetzels. Die verschiedenen Kammern, Treppen, Gänge und Wasserbecken der Höhle, vor allem der imposante „Schillersaal“ und die „Leibnizgalerie“ geben die übrigen Schauplätze des legendären Geschehens wieder: Königshalle, Rittersaal, Brunhildenfelsen und die vielen anderen sagehaften Orte des Nibelungenliedes


Premiere: 25.09.2009 / Einhornhöhle Scharzfeld


Der für die Produktion erstellte Spieltext wurde im Folgejahr 2010 unter dem Titel „Der Drachentöter. Die Sage vom Siegfried, sehr frei nacherzählt vom Wandertheaterbetreiber Alberto Kniff” für eine neue szenische Umsetzung verwendet.

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Im Gedächtnis des Wassers
Eine kurze Geschichte über die Gerechtigkeit


Lia, die fünfzehnjährige Tochter des alleinerziehenden Tankstellenbetreibers Gerhart, wurde auf dem nächtlichen Nachhauseweg an einer Bushaltestelle vergewaltigt. Der mutmaßliche Täter, ein junger Mann aus der Nachbarschaft, konnte aus Mangel an Beweisen nicht verurteilt werden. Gerhart fühlt sich von der Justiz verraten. Überzeugt von der Schuld des Freigesprochenen nimmt er das Recht in die eigene Hand.


„Im Gedächtnis des Wassers” ist das bruchstückhafte Protokoll zweier Verbrechen, die durch das Motiv der Rache miteinander verknüpft sind. Ausschnitte aus Gesprächen des Pflichtverteidigers mit dem Vater und der Mutter des Opfers werfen, ergänzt durch Zeugenaussagen, Schlaglichter auf die Ereignisse, die soziale Situation und den Charakter von Opfern und Tätern. Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist ein unlösbarer Konflikt zwischen Recht und Gerechtigkeit. Das Stück wurde anlässlich der vierteiligen Projektreihe „Drei Farben Licht” in der Klosterkirche Nikolausberg verfasst und eröffnete am 24. Oktober 2009 als erster Beitrag unter dem Titel „Blau” die Veranstaltungsserie. Als Bühnenmusik spielte der Göttinger Lautenist und Gitarrist Andreas Düker Werke für Barocklaute von Sylvius Leopold Weiß und Georg Friedrich Händel


Premiere: 24.10.2009 / Klosterkirche Nikolausberg, Göttingen / Eine Produktion im Rahmen des Kooperationsprojekts DREI FARBEN LICHT


Pressestimme


Wie ein Häufchen Elend, zusammengefallen auf einem Stuhl, sitzt Gerhart (Christoph Huber) in der Klosterkirche in Nikolausberg. „Sie sind wie ein Mann, der immer weiter ins Wasser läuft und sich wundert, dass die Hose nass wird“, beschreibt der Anwalt (Stefan Dehler) die prekäre Situation des alleinerziehenden Vaters. „Waren Sie schon mal am Meer?“, so der Anwalt weiter. „Wenn Sie einen Felsbrocken hineinwerfen, schlägt es zwar etwas größere Wellen, aber Sie haben sich dabei verhoben.“


„Blau – Im Gedächtnis des Wassers“ lautet der Titel der szenischen Lesung in der Kirche, die Huber und Dehler für den ungewöhnlichen Ort geschrieben haben. Gerhart ist der Vater von Lia, das Mädchen ist 15 Jahre alt. Der Tankstellenbesitzer arbeitet viel und ist mit der Erziehung seiner Tochter überfordert. Als Lia vergewaltigt wird, muss Gerhart sich mit dem Gefühl auseinandersetzen als Vater versagt zu haben. Gegen den Willen seiner Tochter zeigt er den mutmaßlichen Täter an, die Beweislage ist aber kritisch für den Kläger, denn in jener Nacht hat es stark geregnet, alle Spuren sind weggewaschen. Der Beschuldigte wird freigesprochen. Nach der Verhandlung sucht Gerhart den Täter auf und erpresst ein Geständnis.


Die Vorzüge des alten Gemäuers sind nicht einfach umzusetzen, aber richtig eingesetzt ist die Wirkung groß. Die Atmosphäre ist düster und melancholisch. Die zwischen den Stuhlreihen aufgebaute Bühne und bildet eine Art Laufsteg. Die Wirkung des authentisch dargestellten Stücks wird durch die Enge verstärkt. Die Zuschauer sitzen beinahe auf der Bühne, auf Augenhöhe mit den Schauspielern. Sie tragen Mikrophone, man hört nur das leise Atmen durch die Kirche hallen. Eine Putzfrau wringt einen Lappen aus, es plätschert. Das Bild von Lia, der Tochter, die man weder zu Gesicht bekommt, noch sprechen hört, ist dennoch vielschichtig. Denn die Geschichte wird aus vielen Blickwinkeln erzählt. Der Lkw-Fahrer, der Lia in jener Nacht gesehen hat, der Arzt, der sie behandelt hat, die Aussagen der Freundinnen mit denen sie zusammen war und zuletzt die Geschichte der geschiedene Mutter.


Das Stück ist das erste in einer Reihe von vier Produktionen. Sie wurden von verschiedenen Autoren eigens für die Aufführung in diesem Gemäuer verfasst.


Göttinger Tageblatt, 29.10.2009

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Vom Schrecken des Anfangs, des Mittelteils und des Endes: Der Mann mit dem verschluckten Auge
Drei Grotesken von Hermann Harry Schmitz


Eigentlich sollte der Name Hermann Harry Schmitz auf einer Liste der zehn witzigsten deutsch-sprachigen Autoren zu finden sein. Irgendwo im oberen Drittel. Die Glossen und Kurzgeschichten des 1880 geborenen Düsseldorfers haben zweifellos das Zeug zu Klassikern. Hätten die Jungs der Monty- Python-Truppe schon 1910 mit anarchischem Humor Karriere machen wollen, sie hätten vermutlich bei Schmitz abgeguckt.
Als Sohn eines Fabrikdirektors wuchs Hermann Schmitz in Düsseldorf auf. Das Gymnasium verließ er, um 1896 eine ausbrechende Tuberkulose auf Korsika auszukurieren. Militäruntauglich, zwang ihn der Vater nach Abschluss des Einjährigen in Kassel zur kaufmännischen Laufbahn. Seit 1906 publizierte Schmitz Grotesken, zunächst im „Simplicissimus“, ab 1907 im „Düsseldorfer General-Anzeiger“. Nebenher schrieb er kabarettistische Einakter oder trat in dandyhafter Aufmachung als Conférencier bei Wohltätigkeitsveranstaltungen in Düsseldorf auf. Nach dem Erfolg seiner ersten Buchveröffentlichung „Der Säugling und andere Tragikomödien“ bei Ernst Rowohlt, entschloss er sich, als freier Schriftsteller tätig zu werden. Als zahlreiche Aufenthalte in Sanatorien und Krankenhäusern ohne Hoffnung auf Heilung blieben, erschoss er sich.
Hermann Schmitz nimmt eine Sonderstellung in der deutschsprachigen Literatur ein. In seiner bewusst naiv gewählten Erzählhaltung sucht er als Angriffspunkt für seine Attacken die Welt des. Seine Helden mit ihren sinnentleerten Genüssen, ihrem Technikfetischismus, Statusproblemen, aber auch Fluchtbewegungen, wie Reisewut oder falschverstandenem Naturkult, enden zumeist tödlich.


Stefan Dehler und Christoph Huber machen sich daran, den zu Unrecht vergessenen Meister des witzigen Grauens wieder zu entdecken und stellen in ihrer szenischen Lesung drei der schaurig-schönen Grotesken vor.


Premiere: 30.10.2009 / Eine Produktion für die 3. TANZ KULTUR WOCHE GÖTTINGEN

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Lachende Wüsten
Eine kurze Geschichte über die Liebe


Es scheint Liebe auf den ersten Blick zu sein. Auf einer Betriebsfeier lernt Wolfgang Irene, die Frau seines engsten Mitarbeiters Joachim, kennen. Bereits an dem Abend gesteht er Irene seine Verliebtheit. Irene geht auf Wolfgangs Avancen im Rahmen der Konventionen ein, macht ihm aber unmissverständlich klar, dass sie kein Interesse an einer Affäre hat. In den folgenden Wochen versucht Wolfgang immer wieder, sich zwischen das Paar zu drängen. Seine Übergriffe verursachen Spannungen zwischen den Eheleuten. Als ein Ingenieur wegen Krankheit für einen riskanten Auslandseinsatz ausfällt, fällt Wolfgangs Wahl auf Joachim. Joachim nimmt den Auftrag trotz Irenes Einwände an. Obwohl er davon überzeugt ist, dass Wolfgang beabsichtigt, seine Abwesenheit auszunutzen, vertraut er ihr...


Lachende Wüsten beschreibt eine banale wie unheilvolle Dreiecksbeziehung, in der Sympathie, sexuelles Begehren und eheliche Liebe in spannungsvollem Kontrast zueinander stehen – eine Geschichte, in der Leidenschaft und Liebe ebenso komische wie tragische Züge annehmen können. Das Stück wurde anlässlich der vierteiligen Projektreihe „Drei Farben Licht” in der Klosterkirche Nikolausberg verfasst und wurde am 14. November 2009 unter dem Titel „Rot” als dritter Beitrag der Veranstaltungsserie gezeigt. Als Bühnenmusik spielte der Göttinger Lautenist und Gitarrist Andreas Düker Werke für Vihuela aus der Zeit der spanischen Renaissance: Stücke von Milan, Narváez, Valderrábano und Mudarra.


Premiere: 14.11.2009 / Klosterkirche Nikolausberg, Göttingen / Eine Produktion im Rahmen des Kooperationsprojekts DREI FARBEN LICHT


Pressestimme


Die bekannteste Ehebruchsgeschichte der Weltliteratur – Brecht hat sie mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination oft gelesen – steht in der Bibel: König David bemächtigt sich der schönen Bathseba, schwängert sie und schickt, um diese Untat zu vertuschen, deren Mann Uria, einen überaus loyalen Soldaten, perfide in den Tod auf dem Schlachtfeld. Der Prophet Nathan führt dem König mit einer Parabel dessen Schuld vor Augen, das Kind stirbt, David und Bathseba heiraten, der gesegnete Thronfolger Salomo wird geboren.
Eine Sex-and-crime-Geschichte, die auf die Bühne zu bringen einiges an dramaturgischem Geschick erfordert, zumal wenn sie als gegenwärtige Geschichte adaptiert wird. Am Sonnabend war eine packende Inszenierung dieses Dramas im Rahmen des Nikolausberger Theaterprojekts „Drei Farben – Licht“ zu erleben: Stefan Dehlers szenische Erzählung Lachende Wüsten.


Sechs rot gedeckte Tische – sie geben Halt, bilden aber auch ein Labyrinth – in der Mitte der Klosterkirche nötigen die Schauspieler zu einem Höchstmaß an Präsenz, das das Lesen aus den Textbüchern noch zulässt. Dehler selbst übernahm die Uria-Rolle des Ingenieurs Joachim, der von seinem Chef und Freund Wolfgang (Christoph Huber) zu einer Montage in den Irak geschickt wird und dort zu Tode kommt, nachdem die Sicherheitsvorkehrungen reduziert worden waren. Motiv für dieses Schurkenstück ist Joachims Frau Irene (Tasha Skowronek), die der großspurige und übergriffige Wolfgang unverhohlen anmacht. Irene erfährt, dass Wolfgang Menschen so „ansieht, dass sie bloßgestellt werden“.


Tasha Skowronek gibt eine tapfere und hilflose Bathseba-Irene, die freilich „rot im Gesicht“ wird, was eine groteske Brechung des begehrlichen Rots ist. Joachim ist zwischen Liebe und Loyalität gefangen, seine Liebe spinnt sich ein in Fatalismus. Diese selbstquälerische Dreiecksbeziehung setzt Angst, Zorn und Hass, Misstrauen und Verzweiflung frei – was ist ein Gewand der Liebe, was nur ein knapper Schurz der Begierde?


Dass die Liebe „alles kaputt macht“, sagt Irene, als sie zwischen den beiden Männern steht, und meint damit kaum nur die begehrende Liebe, sondern auch die Hingabe. Wie erfüllte Liebe Menschen verwandelt, verrät Wolfgangs Sprache: Spricht er als Begehrender noch grob, anzüglich, zeigt er sich später als Irenes Mann sensibel. Unklar ist, in welchem Maß Dehler die Kontamination der Liebe durch Macht wahrgenommen hat. Dehler konzentriert sich in seiner Adaption der biblischen Geschichte auf die verstörend-zerstörerische Seite der Liebe. Die durch die Propheten-Parabel bewirkte Schuldeinsicht und Sühne in der Bibel wird nicht thematisiert. Klug vermeidet Dehler simple Parallelisierungen: Anders als der biblische David etwa ist Wolfgang geschieden. Eindrucksvoll, wie hier das biblische Loyalitätsverhältnis David-Uria in Freundschaft transformiert wird, die der Liebe zum Opfer fällt. Bewegend, wie manches in der Schwebe bleibt: So antwortet Irene auf die Frage ihres zweiten Mannes Wolfgang, ob sie „es eigentlich bereut“ habe, mit einem kryptischen „Nein – das nicht.“


Andreas Düker bespielte Szenen und Pausen mit intimer Musik aus dem Spanien des 16. Jahrhunderts. Dazu nahm er mit seiner Vihuela, einer spanischen Frühform der Gitarre, Platz auf vier Podesten hinter den Zuschauern. Schöne Musik – aber warum diese und nicht etwa Blues? Fazit: Hier war biblisch inspiriertes Theater von Rang zu erleben. Dieser eindrücklichen Premiere sollten noch viele Aufführungen folgen.


Göttinger Tageblatt, 17.11.2009

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Eine Weihnachtsgeschichte
nach der Erzählung von Charles Dickens


Drei Geister werden ihm von seinem verstorbenen Geschäftspartner angekündigt, und tatsächlich erscheinen dem notorisch geizigen Ebenezer Scrooge die Geister der vergangenen, der aktuellen und der zukünftigen Weihnacht, um ihn von seinen einstigen Idealen, der Notwendigkeit des Mitgefühls und vom traurige Ende eines dem Geld geweihten Lebens zu erzählen. Was Charles Dickens seinem unsympathischen Helden Scrooge an intellektueller und emotionaler Wandlung durch die Begegnung mit den unkörperlichen Boten zutraut, ist wahrlich nicht glaubhaft, aber durch und durch eine bedenkenswerte, unterhaltsame und hoch moralische Sache.


Stefan Dehler und Christoph Huber erzählen in ihrer Bühnenfassung des globalen Buch-Hits die Geschichte mit Liebe zum Text und zu den Figuren, immer aber auch mit einem ironischen Augenblitzen und viel Schalk im Nacken nach.


Premiere: 25.11.2009 / APEX, Göttingen


Pressestimme


Den Sinn des Weihnachtsfestes fühlen, die eigenen Bedürfnisse hintanstellen, um seine Mitmenschen  intensiver wahrzunehmen: Das sind die Botschaften der „Weihnachtsgeschichte“ nach Charles Dickens’  Roman „A Christmas Carol“.


Diese haben Stefan Dehler und Christoph Huber den Zuschauer im Göttinger  Apex mitgegeben. Als sie nach 100 Minuten völlig außer Atem die kleine Bühne verlassen, füllt  Nächstenliebe den Raum. Dehler als einstiger Geizkragen und Egoist Scrooge schüttelt die Hände  sämtlicher Zuschauer, strahlt sie an. Dem Schauspieler gelingt eine nicht einfache Mission: Er  inszeniert eine festliche Stimmung, ohne sentimental oder gar kitschig daher zukommen. Die Gäste  jedenfalls sind ergriffen – und verweilen noch einige Momente auf ihren Stühlen.


Dabei fängt die  Geschichte bekanntlich ganz herzlos an: Herr Scrooge ist ein Halsabschneider par excellence. Sein  übersteigerter Geiz, gegen sich selbst und sein Umfeld, treibt ihn in völlige Isolation, sogar am  geselligen Weihnachtsabend. Den verbringt er, wie seit vielen Jahren, allein mit einer Dose Ravioli.  Während Scrooge nach dem kargen Mahl zur Ruhe kommt, wird er von einem Geist in Gestalt seines  verstorbenen Geschäftspartners Jacob Marley aufgesucht. In diesem Moment setzt die Wandlung ein,  in der das Ekel peu à peu menschliche Züge erhält. Für den Geister-Part sorgt ein furioser Christopher  Huber, der sich, mit spärlichen Requisiten, in die einzelnen Rollen hineinspielt.


Ein schöner  Weihnachtsklassiker, dem die stillen hunde ihre persönliche Note aufgedrückt haben. Ihre fantasievolle  Fassung animiert nicht nur zum Nachdenken, sie macht auch Spaß.


Göttinger Tageblatt, 14.12.2009



2010

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Der Alptraum vom ewigen Leben: Dracula

Szenische Lesung des Romans von Bram Stoker


Sie sind aus der Riege der mythologischen Superstars nicht mehr wegzudenken: Vampire. Die blutsaugenden Untoten erweisen sich als bemerkenswert vital. Von modischen Eintagsfliegen kann dabei nicht die Rede sein. Das Interesse eines breiten Publikums an den geheimnisvollen Kunstfiguren ist seit gut 150 Jahren ungebrochen. Die Popkultur spricht da eine unmissverständliche Sprache. Betrachtet man das Angebot in den Buchhandlungen und die Programme der Kinos lässt sich feststellen: Vampire sind allgegenwärtig. Es vergeht kein Jahr, ohne ein bestsellerlistenstürmendes Buch, das die unheimlichen Wesen zum Thema hat. Auch im Kino wird der Mythos in immer neuen Varianten zelebriert. Vampire tummeln sich in allen Kunstsparten und Genres. Sie sind Gegenstand philosophischer Betrachtung und wissenschaftlicher Forschung.


Dabei war es ein langer Weg vom ersten Auftreten in Märchen und Sagen bis hin zu den Hauptrollen in Buchbestsellern und in den Leinwanddramen und Actionfilmen Hollywoods. Die zahllosen Rollen und Verkleidungen, in denen die fiktiven Untoten einem heutigen Massenpublikum begegnen, verbergen jedoch nur unzulänglich den immer gleichen mythologischen Konflikt, der mit ihrer Existenz verbunden ist. Der Vampir ist stets ein Parasit der lebendigen Welt – und er leidet stets daran. In ihm ist der alte Menschheitstraum vom ewigen Leben pervertiert. Das Nicht-sterben-müssen ist in den Geschichten über die Untoten zu einer furchterregenden Utopie, ja zu einer hochmoralischen Mahnung an die Lebenden geworden. Das Vampirdasein beruht auf einem Pakt mit dem Teufel. Es ist ein Gegenentwurf zur dienenden, aber lustvoll erlebten Existenz der Engel. Der Vampir ist immer ein Handlanger des Bösen, und wie jeder, der einen Vertrag mit dem Teufel gemacht hat, zieht auch der Vampir am Ende den Kürzeren. Er hat im Tauch gegen die unsterbliche Seele die begehrte körperliche Unsterblichkeit erlangt. Das hebt ihn über die menschliche Existenz. Kalt lächelnd betrachtet er die kleinen und großen Ängste und Sehnsüchte der kurzlebigen Menschen, er sieht Jahrhunderte vorbeiziehen, Weltreiche entstehen und fallen. Aber gleichzeitig wirft diese Art der körperlichen Unsterblichkeit den Vampir auf den Rang eines niederen Lebewesens zurück. Die Welt kann der Vampir immer nur durch die Schlüssellochperspektive und stets im Abglanz des Lichtes wahrnehmen: Er ist in einer Hölle eingeschlossen. Sein ganzes Dasein wird von der unstillbaren Gier nach Blut und vor der Angst vor dem zerstörerischen Tageslicht bestimmt. Wie ein Junkie hängt er vom Blutstrom seiner Opfer ab, die er nachts überfallen und töten muss. Perfiderweise hat ihnen der Teufelspakt starke Gefühle belassen. In ihren Herzen nähren die Vampire die Sehnsucht nach sozialer Teilhabe, oft sogar eine Zuneigung zu einem einzelnen Menschen, heimliches erotisches Verlangen, Liebe - aber sie müssen asoziale Bestien bleiben. Egal, was ein Vampir weiß und wünscht: Am Ende muss er töten, und in jeder seiner grauenvollen Mordtaten schwingt paradoxerweise eine leise Hoffnung nach dauerhafter Erlösung mit.


Die prägendste Form des Vampirmythos schuf 1897 der irische Schriftsteller Bram Stoker mit dem Roman Dracula. Er kann zwar nicht als dessen Erfinder bezeichnet werden, aber er gestaltete die Figur des eleganten Todesengels, der seine Bestialität hinter formvollendetem Auftreten verbirgt, so eindrücklich, dass sie zu einem literarischen Welterfolg und in Folge zu dem heutigen popkulturellen Phänomen wurde. Stoker, der hauptberuflich als Beamter der Dienstaufsichtsverwaltung der Justizbehörde arbeitete, war nebenberuflich als Journalist, Theaterkritiker und Autor von Erzählungen und Romanen tätig. Den Erfolg seines Buches erlebte er nicht mehr. 1912 starb er fünfundsechzigjährig in bescheidenen finanziellen Verhältnissen in London.


Stefan Dehler und Christoph Huber stellen mit Bram Stokers „Dracula” das Urbild aller nachfolgenden Vampir-Romane in einer szenischen Lesung vor. Sie begeben sich auf eine Spurensuche nach den Quellen des Mythos, führen die Zuschauer in die unheimliche Bergwelt der Karpaten und tief ins Herz der Finsternis: das Schloss des unsterblichen Grafen Dracula. Mit dem sich selbst aus der Einsamkeit Transsilvaniens befreienden Vampir betreten sie das viktorianische England an der Schwelle zur Moderne und entdecken eine Liebesgeschichte, deren tragischer Ausgang durch die Wesensverschiedenheit und den sozialen Stand der Beteiligten vorherbestimmt ist.


Premiere: Januar 2020 / Stadtbibliothek Göttingen / Eine Produktion für die Veranstaltungsreihe DIE LANGE NACHT DER LITERATUR des Arbeitskreises der südniedersächsischen Bibliotheken


Pressestimme


Das Göttinger Schauspielerduo »stille Hunde« gastierte kürzlich in der Einbecker Stadtbibliothek. Mit viel Witz, Charme, Rollenvielfalt und tagesaktuellen Anspielungen rissen Christoph Huber und Stefan Dehler die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen hin. In der szenischen Lesung wurde Bram Stokers Roman »Dracula« umgesetzt.


Jonathan Harker (Dehler) wird beauftragt, nach Transsylvanien zu reisen, um dort dem Grafen Dracula einige Immobilien in England zu verkaufen. »Unter anderem Downing Street Number 10, da steht sowieso im Mai ein Wechsel an«, sagt sein Auftraggeber Hawkins (Huber). Harker muss deswegen extra seine Hochzeit mit Mina Murray verschieben, »bei dem Gespräch ging ich durch die Hölle«, versichert er. Nach einer beschwerlichen Reise erreicht er die Karpaten und kehrt in einem Gasthaus ein, wo ihm ein mürrischer Wirt (Huber) ein »Babrika-Händl« serviert. Illustriert wurde dies mit einem schreiend gelben Gummihuhn, das im Laufe des Stücks noch öfter vorkommen sollte. Obwohl ihm von einer alten Bäuerin (wieder Huber, der den Rollenwechsel mit einem lauten Seufzer und einem gemurmelten »Och ne« quittierte) von der Reise zum Schloss des Grafen abgeraten wird, besteigt er dennoch die Kutsche. Im Schloss trifft er auf Dracula (Huber), dessen lange schwarze Haare mit weißen Strähnchen das Publikum zum Lachen brachten.


Nach Klärung des Geschäftlichen lässt der Graf ihn allein, da er »einen Friseurtermin« habe, »Strähnchen und so«. Harker wird in dieser Nacht jedoch von den Vampirgespielinnen des Grafen gebissen, doch sein Silberkreuz rettet ihn. Er kann den Fängen des Grafen nur mit Mühe entkommen.


Ein Rollenwechsel vollzog sich im zweiten Teil des Stücks, der in Englang spielt: Huber verkörperte nun den Vampirjäger Abraham van Helsing, Dehler glänzte in seiner Rolle als Dr. Seward, der eine Irrenanstalt leitet. Doch auch Dracula (nun Dehler) war auf die Insel gereist und hatte dort Lucy Westenra seine Fänge in den Leib geschlagen. Van Helsing klärt Seward über die Male an Lucys Hals auf: »Dies sind Bisse des gefährlichsten Wesens der Welt«, worauf Seward erwidert: »Meiner Schwiegermutter?« Nun entwickelte sich ein munteres Scharmützel mit unzählbaren fliegenden Rollenwechseln der beiden Schauspieler.


Dehler wurde binnen Sekunden mit einem angeklebten Schnurrbart zu Lord Godalming, Lucys Verlobten, mit Cowboyhut zu dem ebenfalls in sie verliebten Texaner Quincey P. Morris, zum Irrenhauspatienten Renfield, der Dracula seinen Meister nennt, und er wechselte blitzschnell zu Seward und trat schließlich wieder als Harker auf. Das quietschende Gummihuhn wurde kurzerhand zu Lucy, Seward hoffte, »dass bei der Bluttransfusion keine Minderjährigen anwesend sind«. Dracula wird wegen seiner langen Haare mit »Tschüss, Ozzy Osbourne« von van Helsing verabschiedet, nachdem er Lucy endgültig ausgesaugt hat. Nachdem sie von Lord Godalming gepfählt wurde, machen sich van Helsing, Harker, Morris und Seward nach Transsylvanien auf, um Dracula endgültig auszuschalten. Morris wird bei einem Feuergefecht in den Karpaten getötet, die Sterbeszene dauert unendlich lang, was Huber zu dem Kommentar »Komm, mach hin« veranlasst. Dehler kontert: »Das hab ich nicht 14 Tage geübt, um es jetzt hier schnell runterzuleiern«. Zu guter Letzt kann Dracula aber besiegt werden.


Die beiden Schauspieler Christoph Huber und Stefan Dehler lieferten eine irrwitzige, rundum gelungene Leistung ab.


Spontane Reaktionen auf das Publikum und dessen Einbindung in das Stück lockerten die ohnehin ausgelassene Stimmung noch zusätzlich auf. Running Gags waren das als »Babrika-Händl« titulierte Gummihuhn und das Silberkreuz, dass Harker an einer Kette um den Hals trug. In Ermangelung einer silbrigen Kette trug Huber ein ungefähr einen Meter großes Messingkreuz unter lautem Ächzen auf die Bühne. Noch beeindruckender als der Wort- und Spielwitz, den die beiden Göttinger an den Tag legten, war ihre Vielseitigkeit. Sie schlüpften in die verschiedensten Rollen, verstellten Tonlage und Gestik binnen Sekunden und lebten so ihre Figuren. Das dreistündige Spektakel in der Stadtbibliothek war eine perfekte Demonstration, wie man zu Zweit ein Publikum mitreißt und begeistert.

Einbecker Morgenpost, 19.04.2010

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Nipple Jesus
Monolog von Nick Hornby


Den ehemaligen Türsteher David hat es in die Kunstszene verschlagen. Seit ein paar Wochen ist er Aufseher in einer Galerie. Den Job hat er vor allem seiner Frau zuliebe angenommen - na ja, man wird nicht jünger, und die Arbeitszeiten im Nachtclub sind für einen Familienvater nicht die besten. Ein kleiner Trost ist, dass ihm die Museumsleitung eine seinen Fähigkeiten angemessene Sonderaufgabe zugeteilt hat. David ist abgestellt, um ein Kunstobjekt zu bewachen, das Potential zum Skandal hat: NippleJesus heißt das Bild einer jungen Künstlerin, das den gekreuzigten Christus zeigt –zusammengesetzt aus kleinen Bildern entblößter Frauenbrüste, Papierschnipseln, ausgeschnitten aus Pornomagazinen. Anfänglich ist David schockiert von dem Kunstwerk, aber je länger er sich mit dem Bild beschäftigt, je mehr er mit dogmatischen Kunstrichtern und Sittenwächtern konfrontiert wird, um so mehr findet er sich bereit, die Arbeit der Künstlerin zu verteidigen. Als es eines Tages religiösen Fanatikern gelingt, einen Anschlag auf das Bild zu verüben, ist er tief geknickt - und muss wenig später feststellen, dass er mehr als er jemals ahnte, Teil des Kunstwerks geworden ist.


Der Monolog des Kult-Autors Nick Hornby aus dem Buch „Speaking with the Angel” ist eine geistreiche Komödie über Kunst und Kommunikation - und der einzige Text, den der Autor bislang für die Bühne freigegeben hat. stille hunde zeigt die Geschichte des sich zunehmend mit dem Skandalwerk identifizierenden Aufsehers David mit Christoph Huber in der Hauptrolle in den Räumen der Galerie Apex.


Premiere: 30.01.2010 / APEX, Göttingen


Pressestimme


Die Zuschauer sitzen in drei Stuhlreihen an der Längsseite des Raums, die Vorhänge sind komplett zurückgeschoben, alles ist hell erleuchtet, viel weiße Wand. Die Apexbühne erstreckt sich nicht nur über das Podest, sondern reicht bis hinter die Plätze der Zuschauer, der ganze Raum ist Schauplatz. Das Publikum sitzt mittendrin. Mitten in einer Kunstgalerie und ihrer typisch reduzierten, kühlen Atmosphäre.


Auf dem Podest steht ein einziger Betonsockel, auf dem ein vor sich hindudelndes altes Radio mit angeklebter Blume thront. An der Längsseite des Raums ein weiteres Kunstwerk: Mit Paketband kleben Umrisse dreier überdimensionaler Nikolaushäuser an der Wand. Dann kommt David. Ein Koloss von Mann. „Ich bin 1,88 Meter groß und habe fast 100 Kilo. Ich sehe handfest aus, sag ich mal.“ Meint er in osteuropäischem Dialekt, und seine ganze Erscheinung ist so sehr die des ehemaligen Türstehers eines Nachtclubs, dass man keinen Moment im Zweifel ist, dass die Geschichte, die er nun zu erzählen beginnt, stimmt.


David, gespielt von Christoph Huber, hat seinen Job in der Disco geschmissen („Ich will nicht vor irgendeinem verwichsten Club sterben!“) und arbeitet nun als Aufseher in einer Galerie. Ein ruhiger Job sollte man meinen. Allerdings soll David ein Kunstobjekt bewachen, das einen Skandal provozierte: Das Bild heißt „Nipple Jesus“ und ist die Collage des gekreuzigten Jesus Christus bestehend aus tausenden zusammengesetzten Brustwarzen, ausgeschnitten aus Pornomagazinen.


Zunächst ist David hin- und hergerissen zwischen Faszination und Abscheu. Nachdem er aber einige Stunden vor und mit dem Bild Wache gehalten hat, wird er nachdenklich. „Man sieht richtig, wie weh das getan haben muss, als sie ihn da angenagelt haben! Ein verdammt gutes Bild, weil es einen zum Nachdenken bringt!“ meint der einfache Mann und merkt dabei nicht, wie tief er selbst schon in die Welt der Kunst eingedrungen ist.


David wird konfrontiert mit religiösen Fanatikern, vermeintlichen Intellektuellen und schließlich mit der Künstlerin selbst. Über seiner täglichen Arbeit merkt er nicht, dass er selbst Teil des Kunstprojekts geworden ist, und so kommt die Pointe schließlich für alle überraschend. Wie sehr das Publikum von der Atmosphäre und Authentizität ergriffen ist, die die Stillen Hunde unter der Regie von Stefan Dehler in ihrem Einpersonenstück nach einer Kurzgeschichte von Nick Hornby schaffen, zeigt sich in einem unvorhergesehenen Zwischenfall: Christoph Huber (David) verschwindet plötzlich hinter der Bühne und tritt nicht wieder auf. Das Publikum wundert sich nicht und geht davon aus, dass das Verschwinden Teil des Stücks ist. Einige Minuten später erscheint dann aber der Regisseur und berichtet, dass Huber übel geworden sei. Worauf sich die Zuschauer zweifelnd fragten: Ist das jetzt echt?


Ja, es war echt. Nach einiger Verwirrung und kurzer Unterbrechung las Dehler dann den Schluss vor. Trotzdem ein ergreifender Nachmittag und ein lohnendes Stück.


Göttinger Tageblatt, 03.02.2010

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6. - 12. Februar 2010
stille hunde zu Gast in Mazedonien


Auf Einladung des Goethe-Instituts gastieren Stefan Dehler und Christoph Huber mit ihrer Bühnenfassung des Bilderbuchklassikers „Die kleine Raupe Nimmersatt” eine Woche lang in Mazedonien. Das Kinderstück wird in Grundschulen der Hauptstadt Skopje und anderen Städten gezeigt. In Verbindung mit Workshops ergänzen die Theateraufführungen den Deutschunterricht, der in mazedonischen Grundschulen neu eingeführt wurde.

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Lob des Weins im Dialog der Poeten

Ein vinophiler Wettstreit um die besten Tropfen und Verse von der Antike bis zur Gegenwart


Die Weinherstellung gehört zu den ältesten Kulturleistungen der Menschheit. Es ist erstaunlich, wie weit die Kenntnisse von der Kultivierung der Reben und der gezielt in Gang gebrachten und kontrollierten alkoholischen Gärung der Trauben zurückreichen. Bereits die frühen Hochkulturen des Mittleren und Vorderen Orients Mesopotamiens und Ägyptens schätzten den Wein. Inschriften und Wandgemälde dokumentieren die große Bedeutung, die diesem Lebens-, aber auch Genussmittel zukam: die Überreste der Behältnissen, die einst zur Aufbewahrung des kostbaren Getränks dienten, künden ebenso deutlich davon wie viele schriftliche Überlieferungen - unter denen sich auch Zeugnisse großer Dichtkunst finden.


Stefan Dehler und Christoph Huber präsentieren anhand literarischer Fundstücke aus unterschiedlichen Epochen eine kleinen Kulturgeschichte des Weins.


Premiere: 01.03.2010 / Bremers Weinkeller am Wall, Göttingen

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Gerechtigkeit wohnt nur im Himmel: Die Grimms in Göttingen

Ein Live-Feature zum Themenschwerpunkt der 9. Göttinger Märchenwoche


Premiere: 07.03.2010 / Holbornsches Haus, Göttingen / Eine Produktion für die 9. GÖTTINGER MÄRCHENWOCHE des Göttinger Märchenland e.V.

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Frühling lässt sein blaues Band

Lyrik und Prosa über die schönste Jahreszeit


„Eine echte Auferstehung, ein Stück Unsterblichkeit“, so bejubelte der amerikanische Schriftsteller Henry David Thoreau Anfang des neunzehnten Jahrhunderts überschwänglich den Frühlingsbeginn – und reihte sich mit diesen Worten ein in die Riege der Poeten, die dem Frühling besondere dichterische Wertschätzung zukommen ließen. Tatsächlich: Keine Jahreszeit ist so oft und so lobend besungen worden wie der Frühling. Die Freude über das Ende der Winterkälte, das sehnsüchtig erhoffte Erwachen der Natur und den Anbruch der Zeit der Liebe waren und sind zu allen Epochen die vorherrschenden Themen der Frühlingslyrik - der unbeschwert heiteren ebenso wie der von einem wehmütigen Zug durchwehten und der mit einem satirischen Stich.


Stefan Dehler und Christoph Huber haben sich auf einen Streifzug durch „Dichterfrühlinge“ aus drei Jahrhunderten begeben und ihre schönsten Fundstücke in einer Lesung zusammengestellt: Hymnen, Oden, Balladen und Lieder im Volkston – verfasst von namenhaften Autorinnen und Autoren. Natürlich ist das tragikomische Goethesche „Veilchen“ ebenso darunter wie Mörikes berühmtes „blaues Band“, das der Veranstaltung ihren Titel gibt. Passend zu den literarischen Leckerbissen serviert Elke Sauerbrey vom Restaurant Es ein besonderes „Frühlingsmenü“.


Premiere: 07.05.2010 / Restaurant Es, Osterode

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Synchronpoesie:

Ungarische Lyrik - Die Meister der Melancholie

Werke von Endre Ady, József Attila, Mihály Babits, Miklós Radnóti und Árpád Tóth


Europäische Lyrik bildet den Schwerpunkt einer neuen Göttinger Veranstaltungsreihe: Unter dem Titel „Synchronpoesie” werden lyrische Texte in der Originalsprache und in deutscher Übertragung zu hören sein. Den Auftakt macht ein in Bezug auf seine Lyrik in Westeuropa eher weniger bekanntes Land: Ungarn. Die Eigenheiten der ungarischen Sprache, ihre Dichte und archaische Struktur, haben den großen Dichtern des ausgehenden 19. und des beginnenden zwanzigsten Jahrhundert den Weg in den Westen verstellt. In ihrer Heimat gelten aber Autoren wie Endre Ady und Attila József nicht nur als Wegbereiter der Moderne, sondern als Großmeister ihres Genres – und das mit Recht.


Einen repräsentativen Querschnitt durch die ungarischen Poesie bietet nun der zweisprachige Abend „Wehmut und Melancholie“, bei dem Zoltán Sumonyi-Papp, Dichter, Kritiker, Journalist und seit 2002 Vizepräsident des ungarischen PEN-Clubs, die Lyrik in der Originalsprache vorstellen wird. Stefan Dehler und Christoph Huber tragen die deutschen Übersetzungen vor.


Premiere: 20.05.2010 / Junkernschänke, Göttingen

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Ein so ungeheurer Vorfall

Szenische Lesung von Novellen und Anekdoten von Heinrich von Kleist


Neben der Liebesgeschichte inmitten der Wirren einer Naturkatstrophe, die Heinrich von Kleist in seiner Novelle "Das Erdbeben von Chili" erzählt, stellen Stefan Dehler und Christoph Huber in ihrer szenischen Lesung mit „Die Marquise von O.” und „Ein so ungeheurer Vorfall” zwei weitere Meisterwerke des Autors vor.


Premiere: 17.06.2010 / Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule Göttingen

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Wie man sich bettet: Erzählungen aus Frau Holles Kopfkissenbuch

Federmärchen und Bettgeschichten aus aller Welt


Premiere: 10.08.2010 / Betten Heller, Göttingen / Eine Produktion für die 9. GÖTTINGER MÄRCHENWOCHE des Göttinger Märchenland e.V.

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Der Drachentöter: Die Sage vom Siegfried, sehr frei nacherzählt vom Wandertheaterbetreiber Alberto Kniff

Eine Komödie in sieben Bildern nach den alten Heldengesängen


Heimische Wälder: drachenfrei heute. Schuld daran: der Kampfgeist einstiger Recken. Der berühmteste: Siegfried. Aus dessen Leben hat der Wandertheaterbetreiber Alberto ein Stück gemacht. Mit sich selbst als einzigem Darsteller will er sein Meisterwerk auf die Bühne bringen. Bedroht wird die künstlerische Großtat durch seinen Helfer, der frech nach der Titelrolle greift. Und so stolpern Herr und Diener streitend durch alle Hohlwege und Hürden der alten Sage und verbrennen sich nicht nur an Drachenatem, gut beheizten Jungfrauenfelsen und heißer Liebe die Finger.


Premiere: 14.08.2010 / Stadtbibliothek Göttingen / Eine Produktion für die Veranstaltungsreihe  SOMMERNACHTSBIBLIOTHEK der Stadtbibliothek Göttingen


Pressestimme


Eine dürftig zusammengeschusterte Wandertheaterbühne, vielleicht irgendwo auf einem Jahrmarkt oder Volksfest: ein paar ramponierte Paletten, ein staubiger Vorhang, eine Lichterkette und ein Kühlschrank.


Was diese Szenerie zu tun haben soll mit Siegfried, dem kampferprobten Helden nordischer Sagen, den Inbegriff der Männlichkeit und des Mutes, der sich auszeichnet durch körperliche Größe und Jugendschönheit, durch gewaltige Kräfte und Augen, die so scharf sind, dass niemand hineinsehen kann, erschließt sich erst, als die „Stillen Hunde“ die Bühne in der Stadtbibliothek betreten.


Alberto Kniff (Christoph Huber), in erster Linie gescheiterte Existenz mit Hang zum Alkoholismus, will sein selbst geschriebenes Meisterwerk „Siegfried“ mit sich selbst als einzigem Darsteller aufführen. Was schnell deutlich wird: Die des heldenhaften Siegfrieds ist die Rolle, in der er sich selbst am ehesten sieht – schön, stark und voller Testosteron. Gerechnet hat er dabei nicht mit seinem Lakaien Schalentier, der, schikaniert und ausgelaugt, scheinbar noch weniger zu verlieren hat, als sein Meister. Stefan Dehler glänzt in der Rolle des ewigen Verlierers, ungepflegt und mit dicker Hornbrille, der sich ungeniert und ausdauernd kratzt und dem Leben gegenüber einen unwiderstehlichen Witz entwickelt hat. Ausgerechnet er ist es, der die Rolle des Siegfried dann doch an sich reißen kann, und so entsteht eine urkomische Aufführung, in der die beiden gestrandeten Lebenskünstler über sich selbst hinauswachsen. Die Bühne macht möglich, was im wahren Leben so gar nicht gehen will.


Der trottelige, kurzsichtige Diener hat Gelegenheit als mutiger, scharfsichtiger Siegfried hoch über dem Drachen, seinem Meister, zu stehen und ihn windelweich zu prügeln. Der Meister, der so gerne jemand wäre, reitet als König Gunther nach Island, um seine Brunhild zu heiraten. Stärken müssen sich die beiden immer wieder mit „Drachenatem“, der das Schnapstrinken während der Aufführung legitimiert und der ihnen über manches Fehlen von Requisiten hinweghilft. Ein Kehrbesen wird zum Pferd, der Kühlschrank zum Grabstein Siegfrieds.


Musikalisch untermalt wird „Der Drachentöter“ von dem Gitarristen Leon Hast, der konstant alle Stimmungen und Spannungen eindrucksvoll einfängt. Der Abend wird so wieder zu einem kreativ, humoristischen Glanzstück der „Stillen Hunde“. Unerschrocken und wendig poltern sie über die Bühne und schaffen eine Geschichte in einer Geschichte über eine nordische Sage – mit sagenhaftem Witz.


Göttinger Tageblatt, 17.08.2010

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Kein böses Wort und alle Tage Gesottenes und Gebratenes

Grimmige Geschichten


Premiere: 31.10.2010 / Altes Rathaus, Göttingen / Eine Produktion für die 9. GÖTTINGER MÄRCHENWOCHE des Göttinger Märchenland e.V.

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26. - 29. November 2010

stille hunde zu Gast in Bukarest


Christoph Huber führt auf Einladung des Goethe-Instituts im Rahmen der Initiative SCHULEN: PARTNER DER ZUKUNFT einen mehrtägigen theaterpädagogischen Workshop für Lehrkräfte in Bukarest durch. Hauptbestandteil des Weiterbildungsprogramms ist die praktische Vermittlung von Spielvorschlägen und szenischen Übungen, die im Deutschunterricht der Grundschulen eingesetzt werden können. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus verschiedenen Regionen Rumäniens.

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Cyrano von Bergerac
nach dem Schauspiel von Edmond Rostand


Christian ist gutaussehend, Cyrano intelligent. Was der eine hat, fehlt dem anderen. Zusammen ergäben die beiden aber den idealen Mann - einen, wie ihn sich die schöne Roxane als Liebhaber erträumt. Also arbeiten die ungleichen Freunde gemeinsam daran, Roxane zu erobern. Mit Cyranos Ideen und Christians gutem Aussehen gelingt das. Roxane ist begeistert von den Briefen und Gedichten, die Christian ihr schickt, die aber allesamt aus Cyranos Feder stammen. Als sich Christian dank Cyranos Einflüsterung auch bei den heimlichen Treffen unter vier Augen als intelligent und einfühlsam zeigt, glaubt Roxane, den Mann fürs Leben gefunden zu haben. Die Freude der Männer über diesen Erfolg hält nicht an; insgeheim wissen sie: Alles ist Illusion. Keinem gehört das Herz Roxanes allein...


stille hunde zeigt Edmond Rostands berühmte Dreiecksgeschichte, die als Liebeskomödie beginnt und als Tragödie der Lügen, Selbstverleugnungen und Selbsttäuschungen ausklingt, in einer konzentrierten und pointierten Neufassung.


Premiere: 02.12.2010 / APEX, Göttingen



2011

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Amerikanische Komödien

Szenische Lesung von zwei Erzählungen von Mark Twain


Mark Twain, dessen einhundertster Todestag sich am 21. April 2010 gejährt hat, darf als der bekannteste und meistgelesene amerikanischen Schriftsteller seiner Zeit gelten. Viele seiner Erzählungen und Reiseberichte, vor allem aber seine autobiografisch gefärbten Jugendbücher, in denen die Abenteuer der beiden Halbwüchsigen Tom Sawyer und Huckleberry Finn geschildert werden, haben Kultstatus erlangt und sind immer noch Bestseller. Besonders seine Kurzgeschichten gelten durch ihre satirische Brillanz bis heute als Meisterwerke des Genres und zeichnen trotz ihres humorvollen Tons zutiefst kritische Bilder der USA und ihrer Nationalmythen -  Bilder, die Stärken und Schwächen des „amerikanischen Geistes“ gleichermaßen zeigen und in ihrer schillernden Zweideutigkeit einen ebenso mutigen und respektlosen wie moralischen Schriftsteller verraten.


Die turbulenten Ereignisse rund um ein anonymes Geldgeschenk, die der Autor in „Wie Hadleyburg moralisch auf den Hund kam“ beschreibt, enthüllen im Gewand einer Sittenkomödie schonungslos die Doppelmoral einer von puritanischer Weltanschauung geprägten Kleinstadt. In „Die Romanze einer Eskimojungfrau“ portraitiert sich der Autor selbst - in der Rolle eines naiven Berichterstatters am Rande der zivilisierten Welt: Zwischen Begeisterung für ein Leben in Einklang mit der Natur und dem Ekel vor den vermeintlich barbarischen Gebräuchen der Eingeborenen schwankend, gibt er ein Interview mit einer reichen Stammesfürstentochter wieder – das den Einfluss der Zivilisation als unheilvollen Dreh- und Angelpunkt einer tragischen Liebesgeschichte enthüllt. Manche der von Twain geschilderten Verhältnisse gehören inzwischen zum Repertoire nostalgischer Betrachtungen, sind literarische Museumsstücke geworden, die befreit von aktueller politischer Relevanz nur noch in versöhnlich-humorvollem Glanz strahlen. Viele der Beschreibungen aber berühren immer noch – oder mehr denn je – die aktuellen Probleme einer Nation, die an einem historischen Scheideweg zu stehen scheint und sich mit einer wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Neubestimmung auf ihre alten Stärken besinnen muss, um ihre Weltgeltung behaupten zu können.


Mit zwei Erzählungen Twains im Handgepäck („Wie Hadleyburg moralisch auf den Hund kam“ und „Die Romanze einer Eskimojungfrau“) brechen Stefan Dehler und Christoph Huber zu einer Reise durch die moralischen Landschaften eines fortschrittsgläubigen, stolzen und dennoch verletzlichen Kontinents auf,  machen darüber hinaus einen Abstecher zum Polarkreis, um einen Abglanz der Zivilisation zu bestaunen. Ganz dem Paradox Twains folgend eignen sie sich dabei die Personen und Gegenstände in liebevoller Betrachtung an und geben sie nichtsdestotrotz in spöttischer Distanz auch dem Gelächter preis.

Premiere: 14.01.2011 / Stadtbibliothek Göttingen / Eine Produktion für die Veranstaltungsreihe DIE LANGE NACHT DER LITERATUR des Arbeitskreises der südniedersächsischen Bibliotheken


Pressestimmen


Ein Mixer steht an diesem Abend im Mittelpunkt des Geschehens. Und dass, obwohl es solche Küchengeräte zu Mark Twains Zeiten noch nicht gegeben hat. Als Requisite setzten Stefan Dehler und Christoph Huber, die Göttinger Theatermacher „Stille Hunde“ dieses Gerät in ihrem neuen Programm „Amerikanische Komödien“ gekonnt ein. Die Stadtbibliothek, in der die szenische Lesung am Freitagabend stattfand, war zum Thema passend mit dem Sternenbanner dekoriert.


Die erste der beiden twainschen Satiren entführte das Publikum in eine Kleinstadt inmitten der USA. In dem Örtchen herrscht Aufruhr, denn ein Fremder hat vermeintlich einen Sack voller Goldstücke dort gelassen mit der Bitte an einen der Bürger, den rechtmäßigen Besitzer ausfindig zu machen. Doch obwohl die Bewohner sich als rechtschaffene Menschen ausgeben, sind sie so geldgierig, dass sie sich in aller Öffentlichkeit um den letzten Funken Ansehen bringen.


Dies spielen Dehler und Huber mit viel Witz und wechseln dabei problemlos von einer Rolle in die nächste. Die Klischees kommen auch nicht zu kurz: Kein Bürger des Städtchens geht einen Schritt ohne Gewehr in der Hand und Cowboyhut auf dem Kopf. Außerdem erhält der Begriff Fast Food hier eine ganz neue Bedeutung: Eine im Mixer gequirlte Coca Cola als Abendbrot eines eitlen Ehepaares sorgt für viele Lacher.
Nach der Pause kommen dann „Walfischhoden“ (rote Beete) und ein Fisch in den Mixer, was das Publikum (leicht angewidert) kaum fassen kann. In der zweiten Erzählung unterhält Twain (Dehler) persönlich sich mit einem jungen Eskimomädchen (Huber), welches ihm die dortigen Spezialitäten präsentiert. Das allein ist schon sehr amüsant. Immer wieder nehmen die Schauspieler Kontakt zum Publikum auf, fallen dabei teilweise aus den Rollen, was die Premiere nur noch sympathischer macht. Als Huber dann in einer spontanen Reaktion, den fischigen Inhalt des Mixers aus dem Fenster, direkt vor den Eingang der Bibliothek kippt, ist bewiesen, dass das Team sich vor allem durch seine Flexibilität auf der Bühne auszeichnet.


Göttinger Tageblatt, 18.01.2011


Originell, ausdrucksstark und umwerfend komisch: Die Erwartungen sind hoch, wenn Stefan Dehler und Christoph Huber in der Stadtbibliothek angekündigt sind. Die Besucher wurden jedoch auch beim achten Auftritt der beiden Schauspieler in Osterode nicht enttäuscht, sondern erlebten einmal mehr eine amüsante Lesung.


Mit zwei Erzählungen von Mark Twain, der nicht nur Jugendbücher schrieb, sondern zudem als begnadeter Satiriker und scharfer Beobachter seiner Zeit gilt, hatten sich Huber und Dehler eine Steilvorlage ausgesucht, der sie wie gewohnt ihre ganz persönliche Prägung gaben. Mit der Kurzgeschichte „Wie Hadleyburg moralisch auf den Hund kam“ entlarvte Twain genüsslich die bigotte Tugendhaftigkeit und scheinheilige Wohlanständigkeit seiner Landsleute. Die Göttinger Schauspieler inszenierten den Text so meisterhaft, dass es den Zuschauern, die dicht gedrängt in der Bibliothek saßen, vor Lachen die Tränen in die Augen trieb.


Wie gewohnt ging das kongeniale Duo mit begeisternder Spielfreude und Vielseitigkeit zu Werk, setzte seine eigenen Spitzen, indem es die Waffenvernarrtheit der Amerikaner auf die Schippe nahm und jeden der Protagonisten ständig mit einem oder mehreren Gewehren hantieren ließ, agierte mit augenzwinkernder Selbstironie und lebte seine scheinbare Rivalität aus.


Auch das Publikum musste erneut im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf hinhalten, wurde zum Teil mit Cowboyhüten in den albernsten Variationen versehen, war angehalten als Kulisse zu singen und zu jubeln und musste sich „Osteroder Nachkleckern“ nachsagen lassen, nachdem es einen verschrobenen Witz nicht auf Anhieb verstanden hatte.
Immer wieder überraschend und ausnehmend witzig sind die skurrilen Einfälle, mit denen die Mimen ihre Aufführungen krönen. Eine besondere Rolle spielen Requisiten, die sich als running Gag durch den Abend ziehen, wie diesmal ein elektrischer Mixer, in dem eine Dose Cola als typisches US-Abendmahl aufgeschäumt wurde oder die absonderlichsten Zutaten samt einem frischen rohen Fisch zu einer Eskimospezialität verquirlt wurden, oder ein Häkeldeckchen, das wechselweise als Damenfrisur herhielt.


Ausgelassene Heiterkeit herrschte auch im zweiten Teil des Abends, der „Die Romanze einer Eskimojungfrau“ zum Gegenstand hatte – und das, noch bevor überhaupt ein Wort gesprochen war. Christoph Huber als reiche Eskimoschönheit mit Mützchen und Stiefelchen war ein einmaliger Anblick; die ausdrucksstarke Mimik der Darsteller machten die Erzählung, die sich humorvoll kultureller Eigenheiten annimmt, zum vergnüglichen Erlebnis.


Stadtbibliotheksleiterin Claudia Wilkening, die mit ihrem Team in passender Kostümierung für das stilgerechte Ambiente in den Räumen und einem „American Food“-Imbiss in der Pause gesorgt hatte, zeigte sich von der Darbietung der Schauspieler ebenso begeistert wie ihre Gäste. Sie sei bereits gespannt, womit Stefan Dehler und Christoph Huber im nächsten Jahr in Osterode aufwarten werden, verriet sie bei der Verabschiedung. Und auch darin war sie sich wohl mit dem Publikum einig.


HarzKurier, 26.01.2011

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26. Februar 2011

stille hunde zu Gast in Istanbul


Auf Einladung der IELEV-Grundschule in Istanbul führt Christoph Huber im Rahmen des diesjährigen Deutschlehrertags eine Weiterbildung für Lehrkrafte durch. Hauptbestandteil des vom Goethe-Instituts initierten Kurses ist die praktische Vermittlung von Spielvorschlägen und szenischen Übungen, die im Deutschunterricht der Grundschulen eingesetzt werden können.

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Sophie Scholl - Ich will mir meinen Mut durch nichts nehmen lassen
nach zeitgeschichtlichen Dokumenten


Als im Frühjahr 1942 die zwanzigjährige Kindergärtnerin Sophie Scholl aus dem Reicharbeitsdienst entlassen wird, ist zu Hause bei ihrer Familie in Ulm die Situation angespannt: Ihrem Vater, der im Beisein einer seiner Angestellten eine kritische Bemerkung über Hitler gemacht hat, droht eine Anklage. Sophies eineinhalb Jahre älterer Bruder Hans, der in München Medizin studiert, beschließt gegen das Regime aktiv zu werden. Nur Sophie deutet er seine Pläne an, mit Flugblättern an die Öffentlichkeit zu treten. Sophie folgt ihm nach München, um ebenfalls zu studieren. Hans führt sie ein seinen Freundes- und Bekanntenkreis ein, in dem sich regimekritische Intellektuelle bewegen, die auf eine vernichtenden Niederlage der Wehrmacht und damit auf ein Ende der Herrschaft Hitlers hoffen. Ende Juni bis Mitte Juli kursieren in München und Ulm plötzlich vier Flugblätter mit politisch brisanten Botschaften. Die anonymen Verfasser, die zum Widerstand gegen Partei und Krieg auffordern, nennen sich „Die Weiße Rose“. Sophie ahnt, dass ihr Bruder und dessen bester Freund Alexander Schmorell hinter der Sache stehen, schweigt aber gegenüber der Familie, den Freunden und Bekannten. In den Semesterferien, als Hans zum Sanitätsdienst nach Russland beordert ist, ihr Vater inhaftiert wird und sie Kriegshilfsdienst in Ulm leisten muss, reift ihr Entschluss: Sie wird an zukünftigen Widerstandsaktionen praktisch mitwirken. Im November beginnt sie mit Hans und einigen Freunden ein mühevolles und gefährliches Unternehmen – das im Februar 1943 ein tragisches Ende nimmt, als die Geschwister beim Verteilen von Flugblättern in der Münchner Universität entdeckt und festgenommen werden.


stille hunde hat ein biografisches Stück entwickelt, das das letzte von existenziellen Entscheidungen geprägte Lebensjahr der Widerstandskämpferin vorstellt und damit ein Schlaglicht auf eine außergewöhnliche studentische Aktionsgruppe wirft, die unter Einsatz des Lebens gegen den Fortbestand des nationalsozialistischen Unrechtsregimes protestierte.


Premiere: 09.05.2011 / APEX, Göttingen


Pressestimme


Sophie Scholl wurde am 9. Mai 1921 in Forchtenberg geboren. 90 Jahre später ehrt nun die Theaterproduktion der „Stillen Hunde“ die Widerstandskämpferin mit dem Einpersonenstück „Sophie Scholl – Ich will mir meinen Mut durch nichts nehmen lassen“, das am Montagabend im vollbesetzten Apex in Göttingen Premiere hatte.


Kaltes Licht erhellt den Zuschauerraum. Die Stuhlreihen sind entlang der Wände platziert, und das Publikum sitzt nicht nur nah dran am Geschehen, es ist mittendrin. Von Anfang an gelingt es nicht, sich bloß als Zuschauer zu fühlen, der im Dunkel eines Theaters verschwindet, sondern man wird in die Situation hineingezogen, weil die Besucher auf Augenhöhe sind mit der Protagonistin.


Das nach zeitgeschichtlichen Dokumenten entwickelte Stück von Tasha Skowronek und Stefan Dehler fokussiert die Persönlichkeit der jungen Scholl. Im Blick ist eine enthusiastische Frau, die als Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ ihrer Überzeugung wegen in die Fänge der Nationalsozialisten gerät und schließlich gemeinsam mit ihrem Bruder Hans Scholl und dem Freund Christoph Probst wegen Wehrkraftzersetzung und Vorbereitung zum Hochverrat innerhalb weniger Tage zum Tode verurteilt und hingerichtet wird.


Skowronek glänzt in der Rolle der Sophie Scholl, die das Publikum zunächst mädchenhaft übermütig, dann leidenschaftlich und verzweifelt aggressiv und schließlich gefasst und ganz bei sich mit in ihre Gedanken- und Gefühlswelt nimmt. Ihr gelingt es, den Widerstand gegen die Nationalsozialisten und die Brutalität des Regimes mitten in den Zuschauerraum zu holen und ihre Erfahrungen vom abenteuerlich-berauschenden Gefühl während der ersten Flugblattaktion bis in die Kälte und Nüchternheit des Hinrichtungsraums beklemmend darzustellen.


Auf der einen Seite kommt immer wieder die wissbegierige Studentin zum Vorschein, die mit vorfreudiger Aufgeregtheit auf ihr erstes Semester an der Münchner Universität schaut. Stolz ist sie auf ihre erste eigene Wohnung, auch wenn es in Wirklichkeit nur ein beengtes Zimmer ist. Sie saugt das volle Leben in sich auf, schwärmt für die Freunde ihres älteren Bruders Hans, lässt sich beeindrucken von begeisternden und mutigen Professoren.


Diese mädchenhaft-träumerische Sophie nimmt man Skowronek in ihrer weißen Bluse und mit der Spange im gescheitelten Haar genauso ab, wie das andere Gesicht dieser für ihr Alter so klugen, feinfühligen Frau: die Sorge um den Bruder an der Front und den Vater im Gefängnis, die harte Arbeit in der Fabrik, wo sie den russischen Zwangsarbeiterinnen ihr Pausenbrot zusteckt und nicht zuletzt ihre Ohnmacht gegenüber den sich übermächtig gebärdenden Nazis, während sie verzweifelt auf der Schreibmaschine Adressen für die Verschickung der Flugblätter tippt.


Skowronek schafft es, die Ambivalenz, die in der Persönlichkeit Scholls zu schlummern scheint, überzeugend darzustellen und es gelingt, das Bild einer kraftvollen, mutigen Frau zu zeichnen, die schließlich ihr Leben für ihren Glauben und ihre Überzeugungen mit den Worten lässt: „Freiheit. Ich bin schon fort.“


Göttinger Tageblatt, 11. Mai 2011

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13. - 20. Mai 2011

stille hunde zu Gast in Finnland


stille hunde gastiert in fünf finnischen Städten mit dem Kinderstück „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat”. Daneben zeigen Christoph Huber und Stefan Dehler eine Fassung von Goethes „Faust” und führen Workshops mit Lehrkräfte des Faches Deutsch durch. Die Gastspielreise wird in Kooperation mit dem Goethe-Institut organsiert.

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Faust - Der Tragödie erster Teil

von Johann Wolfgang Goethe, eingerichtet für zwei Darsteller


Premiere: 13. Mai 2011 / Gemeindesaal Oulu, Finnland

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5. - 13. Juni 2011
stille hunde zu Gast in Bukarest


Christoph Huber erarbeitet mit Schülerinnen und Schülern des Colegio National George Cosbuc in Bukarest eine szenische Präsentation auf der Grundlage von Goethes „Faust - Der Tragödie erster Teil”. Das Projekt, das vom Goethe-Institut gefördert wird, setzt die bereits im Herbst begonnene Zusammenarbeit von stille hunde mit rumänischen Schulen fort.

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Faust

Goethes Drama in Einfacher Sprache


Schülerinnen und Schüler des Collegion National George Cosbuc in Bukarest zeigen Goethes Schauspiel rund um den wissensdurstigen, verführbaren Gelehrten und die Tragödie der Kindsmörderin Margarethe in einer deutschsprachigen Spielfassung, in der sich Nachdichtungen und originale, lyrische Textanteile mischen.


Premiere: 13. Juni 2011 / Collegio National George Cosbuc, Bukarest

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Hammerschlag und Muffensausen

Heimwerkertragödien


Der Heimwerker mag von der Werbung der Baumärkte zum Helden des Alltags stilisiert werden, in der Realität steht der durchschnittsbegabte Bau-Amateur aber meist mit einem Bein in der Zone des Tragischen. Tückisch ausschlagende Sägeblätter, erst klemmende und dann urplötzlich zuschnappende Zangen, kippelnde Leitern, glitschige Tapetenbahnschlangen, Strom- und andere Schläge bedrohen die anvisierten Erfolge, manchmal sogar die körperliche Existenz der Heimwerker. Meist sind es nur wenige Hammerschläge, die die Do-it-yourself-Recken vom Rohrbruch trennen, und es braucht nur wenige zersplitterte Designerkacheln, um den Plan vom selbstgebauten Whirlpool zu begraben und eine Ehe zu beenden…


Stefan Dehler und Christoph Huber stellen mit den Werkstattflüchtern, den Vereinshausfanatikern, und den vom Zeitgeist und von ehrgeizigen Ehepartnern Gepeitschten die schönsten Exemplare der Gattung Heimwerker vor. Sie demonstrieren die archetypischen Situationen des Heimwerklebens und -ablebens, die wirkungsvollsten Werkzeuge, die Baustoffe und Trendfarben von „Old Ananas“ bis „Bangladesh Limette“.

Premiere: 27.08.2011 / Stadtbibliothek Göttingen / Eine Produktion in Kooperation mit der Satdtbibliothek Göttingen für die GÖTTINGER NACHT DER KULTUR

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Herr Faust will alles wissen
Stück für Kinder ab 4 Jahren von Stefan Dehler und Christoph Huber


Herr Faust liebt Bücher. Am liebsten sitzt er zu Hause und liest. So wie heute. Aber da bellt ein Hund in seinem Garten. Das stört Herrn Faust beim Lesen. Also geht er hinaus, um den Hund einzufangen. Herr Faust ist sehr erstaunt, dass er da draußen einen merkwürdigen Mann antrifft, der angeblich mal ein Hund war und sich nun als Herr Teufel vorstellt. Herr Faust ist überzeugt davon, dass Herr Teufel ein Zauberer ist, und so bittet er ihn, ihm ein paar Wünsche zu erfüllen. Herr Teufel ist einverstanden, wenn er dafür ein Herz bekommt. Herr Faust ist bereit, seines herzugeben, und danach ist Herr Teufel zu allen Schandtaten bereit. Er macht Herrn Faust zum König und sich zum Diener. Er holt Wein aus seiner Tasche und Geld aus seiner Hose, und dann organisiert er eine Weltreise und führt Herrn Faust zu all den Orten , die der noch nie gesehen hat. Aber irgendwann ist auch die längste Reise zu Ende. Herr Teufel möchte nun das Herz. Es steht ihm ja zu. Herr Faust muss es hergeben. Damit könnte sein Leben und diese Geschichte zu Ende sein, aber ein ganz kleines bisschen anders kommt es dann doch.


Stefan Dehler und Christoph Huber erzählen die Geschichte des mit allen Mitteln den Sinn des Lebens suchenden Universalgelehrten Faust als Märchen von der Entdeckung der Welt. Ihre Helden Herr Faust und Herr Teufel begeben sie sich auf eine fantastische Reise,  ersteigen die höchsten Berge, tauchen in den Ozean, spucken von den Wolken und erleben ganz am Ende unverhofft ein wahres Wunder.


Premiere: 18.09.2011 / APEX, Göttingen

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29. September - 1. Oktober 2011

stille hunde zu Gast in der Türkei


Auf Einladung des Goethe-Instituts führen Stefan Dehler und Christoph Huber im türkischen Bursa einen Workshop mit Lehrkräften des Fachs Deutsch durch und zeigen eine Aufführung von „Die kleine Raupe Nimmersatt” im dortigen Stadttheater. Die Programme bilden den Auftakt der Informations- und Bildungskampagne DEUTSCH UNTERWEGS, die das Goethe-Institut in verschiedenen türkischen Städten durchführt.

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Die Verwandlung

Szenisches Projekt nach der Erzählung von Franz Kafka


Ein Mann erwacht und ist nicht mehr derjenige, der er war, als er zu Bett ging. Über Nacht hat er sich in ein riesiges käferartiges Insekt verwandelt. Für seine Familie, der er bislang durch sein Einkommen als Handelsreisender eine Existenz in Müßiggang verschafft hat, wird er so zu einer schweren Belastung. Der Vater reagiert mit Gewaltausbrüchen, Mutter und Schwester mit Tränen. Die Verhältnisse kehren sich um. Während er dauerhaft die Enge seines Zimmers verbannt wird, müssen Vater, Mutter und Schwester sich um Lohnarbeiten außerhalb bemühen. Zudem ist der Verwandelte auf Pflege angewiesen, die im Laufe der kommenden Wochen und Monate immer widerwilliger und nachlässiger geleistet wird. Die Situation spitzt sich zu, als drei zahlungskräftige Untermieter in die in die Wohnung einziehen. Der unerwartete Anblick des riesenhaften Käfers vertreibt die Herren. Die Familie verliert somit ein dringend benötigtes Einkommen. Nun scheint es nur noch eine einzige Lösung für das Problem zu geben: der Tod des Monsters.


Franz Kafkas fantastische Erzählung von der unerklärlichen Verwandlung des Gregor Samsa ist der literarische Bezugspunkt der Performance, die die Schauspieler Stefan Dehler und Christoph Huber gemeinsam mit den Musikern Christoph Labitzke (Keyboard), Adrian Schmidtke (Bass), Sven von Samson (Schlagzeug) und den Göttinger Break-Dance-Artisten James Ashraf und Ossman Hayfield für die 5. Göttinger-Tanz-Kultur-Woche 2011 erarbeitet haben. Musik, Tanz, Rede und Aktion ergänzen in dieser Performance einander in schnellem Wechsel zu einer Abfolge von erzählenden Bildern.

Premiere: 14.10.2011 / Alte Fechthalle Göttingen / Eine Produktion für die 5. TANZ KULTUR WOCHE GÖTTINGEN

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Frankenstein

Szenische Lesung des Romans von Mary Shelley


1816. Ein verregneter Sommer in den Schweizer Bergen, oberhalb des Genfer Sees. Vier Freunde, darunter Lord Byron und Percy Shelley, sitzen am Kamin und beschließen, sich die Zeit mit einem Erzählwettbewerb zu vertreiben. Als Siegerin geht die junge Mary Wollstonecraft Godwin, die spätere Mary Shelley, mit einer Erzählung hervor, die es in sich hat. Vordergründig betrachtet scheint es sich um eine bloße Schauergeschichte zu handeln. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich ihr Bericht von einem der waghalsigsten wissenschaftlichen Unternehmen der Menschheitsgeschichte als ein raffiniertes philosophisches Gedankenexperiment. Der Roman begründet ihren literarischen Ruhm. Aber ihr Stoff und ihre Erzählabsicht verschwinden im zwanzigsten Jahrhundert fast vollständig hinter einem neuen Mythos. Die heute vorherrschende Vorstellung von „Frankenstein“ hat so gut wie nichts mit der ursprünglichen Erzählung zu tun.


Ein schon beinahe tragisches Missverständnis: Selten ist ein Stoff der Weltliteratur durch Verballhornung so volkstümlich geworden. Selten sind Titelfigur und Sujet eines Romans so radikal missverstanden worden. Gerade die filmischen Adaptionen haben zur Verdrängung der ursprünglichen Erzählabsicht und zur Verbreitung eines extrem verzerrten Bildes beigetragen. Dabei besticht die literarische Vorlage trotz melodramatischer Klischees, Schauereffekte und literarischer Schwächen vor allem durch eine verblüffende Ernsthaftigkeit, mit der die Autorin Mary Shelley ein großer Thema der Menschheitsgeschichte aufgreift: die unstillbare Sehnsucht des Menschen nach Gottähnlichkeit. Zwei untrennbar miteinander verbundene Lebensgeschichten bilden das Zentrum des Geschehens: Dem Titelhelden Victor Frankenstein, ein von Idealismus, Fortschrittsbegeisterung und medizinischem Ehrgeiz getriebener Forscher, steht – als Ergebnis der wissenschaftlichen Experimente Frankensteins - ein namenloses, äußerlich hässliches, aber vernunftbegabtes Wesen gegenüber. Unfähig, die Verantwortung für das unzulängliche Ergebnis seines Experiments zu übernehmen, verweigert  der Wissenschaftler seinem Geschöpf die nötige Fürsorge und überlässt es sich selbst und den Kräften der Natur - in der Hoffnung, das Wesen möge ohne die Hilfe der menschlichen Gemeinschaft umkommen. Aber das Geschöpf überlebt trotz der Ablehnung und Ächtung, die ihm im Umgang mit Menschen begegnen, erlernt in beinahe unbeschreiblicher Anstrengung menschliche Sprache und Sozialverhalten und macht sich schließlich auf die Suche nach seinem Schöpfer. Was dem Menschen immer unmöglich sein wird, erzwingt das von Victor Frankstein geschaffen Wesen mit Gewalt: das Gespräch mit dem Schöpfer. Für Victor Frankstein ist die Begegnung mit seiner fleischgewordenen Allmachtsfantasie die endgültige moralische Niederlage. Der Anklage seines Geschöpfes hat er nichts zu erwidern. Er ist das Monster, ein größenwahnsinnig unfähiger Gott. Sein Geschöpf, das nur das Recht auf ein würdiges Dasein verlangt, ist menschlicher als er selbst.


Stefan Dehler und Christoph Huber gehen in einer szenischen Lesung dem Mythos Frankenstein auf den Grund und stellen Mary Shelleys tragische Helden in einer szenischen Lesung vor.


Wiederaufnahme der Produktion aus dem Jahr 2006: 11.11.2011 / Stadtbibliothek Göttingen / Eine Produktion für die Veranstaltungsreihe DIE LANGE NACHT DER LITERATUR des Arbeitskreises der südniedersächsischen Bibliotheken

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Der Fall Vanunu
nach zeitgeschichtlichen Dokumenten


Als im Spätsommer 1986 Reporter der in London erscheinenden Sunday Times Informationen über ein geheimes Atomwaffenarsenal in Israel zugespielt bekommen, bahnt sich ein internationaler Skandal an. Nach anfänglicher Skepsis vertrauen die Journalisten ihrem Informanten, dem ehemaligen Nukleartechniker Mordechai Vanunu. Dessen Angaben erweisen sich nach Einschätzung von Experten als stichhaltig. Kurz vor der Veröffentlichung der brisanten Fakten verschwindet Vanunu plötzlich spurlos - wie sich später herausstellen wird, entführt durch Agenten des israelischen Geheimdienste, um den vermeintlichen Spion und Landesverräter in Israel vor ein Gericht stellen zu können.


Mit dem dokumentarischen Theaterstück greift stille hunde Ereignisse der jüngeren Geschichte auf. Gemeinsam mit der Göttinger Sektion von Amnesty international wurde ein szenisches Protokoll konzipiert, das die spektakuläre Enthüllung des israelischen Nuklearwaffenprogramms vor fünfundzwanzig Jahren nachzeichnet. Anhand des Schicksals eines politischen Aktivisten wird darin die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen zum Schutz staatlicher Interessen aufgeworfen.


Premiere: 08.12.2011 / APEX, Göttingen



2012

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Liebe und andere Strafen

Szenische Lesung von erotische Erzählungen von Giovanni Boccaccio, Réstif de la Bretonne und aus dem alten Japan


Die Wege zur Erfüllung des erotischen Verlangens können lang oder kurz sein. Die kurzen sind die kunstlosen: lachhaft banale halbe Stunden, die an einer Hotelbar oder auf einer Party beginnen und in Hotelzimmerbetten, Autositzen oder mit dem Rücken an einem Toilettenkasten enden. Die langen sind von künstlerischem Interesse, sie verdienen Beachtung. Sie sind die Strategien, die ein Höchstmaß an Einfühlungsvermögen und Einfallsreichtum, an Krafteinsatz und Risiko zeigen – und damit Bewunderung und Schrecken erregen. Stefan Dehler und Christoph Huber stellen mit drei Geschichten aus drei Zeitaltern drei bewunderungswürdige und erschreckende Varianten der erotischen Wunscherfüllung vor: Erzählungen von wahrhaft Liebenden und Lügnern, von Träumenden und Nüchternen, vom Tier im Menschen und vom Menschlichen im Tier - mal als Komödie, mal als Tragödie, fantastisch, in volkstheaterhaft derbem Ton oder als psychologisch genaues Sittenbild.


Stefan Dehler und Christoph Huber schreiten mit drei Erzählungen aus drei Epochen, in denen Komik und Tragik, Lust und Schmerz, Liebe und Scham nahe beieinander liegen, das weite Feld der erotischen Sehnsüchte ab, wagen sich auf emotionale Schleichpfade und in die düsteren Gassen und Winkel der Begierden.


Premiere: 13.01.2012 / Stadtbibliothek Göttingen / Eine Produktion für die Veranstaltungsreihe DIE LANGE NACHT DER LITERATUR des Arbeitskreises der südniedersächsischen Bibliotheken

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In der Osternacht

+ Psalm 36: Gott, die Quelle des Lebens

Szenische Lesung der Erzählung von Anton Tschechow mit Musik für Flöte solo


Anton Tschechow stellt in seiner Erzählung „In der Osternacht“ die Schilderung der kommerzialisierten Festtagsfeierlichkeiten eines Klosters der schmerzlichen Gottessehnsucht eines Mönches gegenüber. Im Zentrum der Geschichte steht die Begegnung des Erzählers mit dem Laienbruder, der in der Osternacht als Fährmann eingesetzt ist, um die Besucher über den Fluss zur Klosterinsel zu bringen. Während der Erzähler an den turbulenten Feierlichkeiten teilnimmt, wartet der Laienbruder vergeblich auf seine Ablösung. Im Morgengrauen treffen die beiden Männer wieder aufeinander - der eine nüchtern und abgeklärt, der andere trotz seiner Enttäuschung voller Gottvertrauen.


Stefan Dehler und Christoph Huber präsentieren Anton Tschechows Erzählung als meditatives Hörbild. Begleitet wird die szenische Lesung von der österreichischen Flötistin Elisabeth Möst, die eine Vertonung zu Psalm 36, „Gott, die Quelle des Lebens“ von Thomas Daniel Schlee, Werke von Joachim Andersen, Victoria Borisova-Ollas, Rosalind Carlson, Claude Debussy, André Jolivet, Sigfrid Karg-Elert, Olivier Messiaen, Arvo Pärt, Niccolò Paganini, Johann Joachim Quantz, Thomas Daniel Schlee und Georg Philipp Telemann sowie frei improvisierend kontrastreiche, atmosphärisch dichte Klangbilder beisteuert.


Premiere: 08.03.2012 / St. Michael, Göttingen / Eine Produktion für die Veranstaltungsreihe GÖTTINGER PSALTER

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Der kleine Opernfreund: Wie’s schallt, wo’s raucht
Ein satirischer Streifzug durch die Welt der Barockoper


Oper ist Schall und Rauch. Vor allem Schall; der ist selbstverständlich das Wichtigste. Rauch ist auch nötig, wenn es so etwas wie eine Zauberoper ist. Dann nämlich geht nichts ohne Rauch. Aber auch, wenn es keine Zauberoper ist, raucht es meist gewaltig in der Oper, sagt man doch: „Wo Rauch ist, ist auch Feuer.“ Und in jeder Oper, die diesen Namen verdient, lodert Feuer. Das der Emotionen. „Ein Kraftwerk der Gefühle“, zitiert der nette Herr Freund mit der großen, unsortierten Plattensammlung und der noch größeren, noch weniger sortierten Begeisterung für die Oper eine Geistesgröße, deren Namen er vergessen hat, dessen Beschreibung er aber höchst zutreffend findet, und fügt selbst dichtend an: „Hier werden die Dinge heißer gegessen, als sie gekocht sind.“ Immerhin ist die Oper eine Erfindung der Italiener, erinnert sich Herr Freund. Und die gelten ja als ungehemmt, was den Ausdruck ihrer Emotionen betrifft. Dem stimmt zwar Herrn Freunds Zufallsbekanntschaft Herr Sawtschenko nur bedingt zu, denn für den ehemaligen Bassbariton mit ukrainischen Wurzeln gilt nur die sprichwörtliche slawische Empfindungstiefe in Sachen Oper etwas. Bei ein paar Gläsern Wodka und einigen beherzten Griffen in die Plattenkiste kommen die beiden „Spezialisten“ aber dann doch irgendwie zusammen. Mit mehr oder weniger Witz und Verstand erörtern sie - jeder auf seine ganz persönliche Weise -  das Geheimnis der klingenden Leidenschaften, und während der eine sich ausgiebig in der bizarren und faszinierende Barockzeit umtut, verweilt der andere ausdauernd bei den Stationen der eigenen, selbstredend großartigen Sängerkarriere.


Stefan Dehler und Christoph Huber schlüpfen für rund eine Kabarettstunde in die Rollen der beiden grundverschiedenen Opernfreunde, die frei von akademischem Expertenwissen Geschichte und Geschichten des Musiktheaters referieren. Spitzentöne und Spitzengagen, Irrungen, Wirrungen, sexuelle und andere Paarungen, die Händel und der Händel kommen dabei zur Sprache. Selbstredend mit Klangbeispielen, wenn sich die richtige Platte findet.


Premiere: 19.05.2012 / APEX, Göttingen / Eine Produktion für das Rahmenprogramm der INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE GÖTTINGEN

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Der Grill ist ein Schwein

Neue Heimwerkertragödien


Zuhause ist es doch am schönsten. Das geflügelte Wort mag hier und da zutreffen, versteht sich aber nicht von selbst und ist auch in vielen Fällen schlichtweg falsch. Auf jeden Fall hat „schöner“ Wohnen seinen Preis. Das mag an horrenden Architektenhonoraren, gesalzenen Rechnungen der Raumausstatterin oder an sündhaft teuren Materialien und Zubehör liegen. Kann, muss aber nicht. Denn, obwohl die Axt im Haus bekanntlich den Zimmermann erspart, kommt das eigenhändige Verschönern der heimischen Umgebung ja nicht immer billig. Eigentlich sollte ein neuer Anstrich, das Anbringen eines Fliegengitters oder das Einschrauben einer Glühbirne ja keinen Experten benötigen. Aber manchmal wäre der doch besser gewesen. Unbestritten stellt die sprichwörtliche Axt nämlich eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Leib und Leben dar, wenn sie in der Hand eines Amateurs geschwungen wird. Oder in die Händen eines Heimbesitzer gerät, dem der Schwenkgrill seiner in mühevollen Freizeitstunden selbstgeschweißten Barbecue-Station gerade mit dreißig brutzelnde Nackensteaks auf die Füße gefallen ist…


Von dringend benötigten Warnhinweisen vor seelischen Schäden auf Tapetenrollen und Laminat-Paletten, vom Zehn-Meter-Sicherheitsabstand zum Gartengrill und vom abgesägten Ast, auf dem man saß, singen Stefan Dehler und Christoph Huber ein Lied, wenn sie anläßlich der diesjährigen „Göttinger Nacht der Kultur“ weitere Kapitel im katastrophenreichen Buch des Do-it-yourself aufschlagen.


Premiere: 29.06.2012 / Stadtbibliothek Göttingen / Eine Produktion für die GÖTTINGER NACHT DER KULTUR

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Die andere Seite der Dinge

Szenischer Rundgang durch die Ausstellung „Dinge des Wissens“

Man kann die Welt so oder so betrachten. Die Wissenschaft will der Welt die Geheimnisse zu entreißen. Sie rückt die Dinge in den hellen, gleichförmig ausgeleuchteten Raum der Analyse, gilt es doch, logische und überprüfbare Behauptungen über ihre Bedeutung aufzustellen. Die Wissenschaft weiß nur so viel von der Schattenseite des Mondes und dem Stoffwechsel eines Bakteriums, wie sie durch praktische Experimente in Erfahrung bringen kann. Die Kunst dagegen lässt sich von den Geheimnissen der Dinge zu fantastischen Vorstellungen inspirieren. Sie füllt die weißen Flecken auf den Landkarten mit erfundenen Gebirgen, Wäldern, Wüsten und Wesen, sie belebt die unerforschten Tiefen des Meeres mit Monstern und Seejungfrauen und die dunkle Seite des Mondes mit lichtscheuen Bewohnern, sie sieht Königreiche, Helden, Tragödien und Komödien, wo die Wissenschaft nur die Form einer Säule und den Grundriss eines Palastes erkennen kann. Wissenschaft und Kunst. Ungleiche Schwestern also. Aber Schwestern. Denn beide entspringen der menschlichen Neugier, etwas über die Welt zu erfahren.


Stefan Dehler und Christoph Huber haben sich daran gemacht, mit künstlerischen Mitteln den Dingen ihre Geheimnisse zu entreißen. Auf ihrem szenischen Rundgang durch die Jubiläumsausstellung „Dinge des Wissens“ in der Göttinger Paulinerkirche lassen sie die exakten Beschreibungen und  Zuordnungen ihrer wissenschaftlich tätigen Kollegen beiseite, um die Fantasie spielen zu lassen und gewinnen so Bilder von der „anderen Seite“ der Dinge.

Premiere: 30.09.2012 / Paulinerkirche, Göttingen / Eine Produktion für das Begleitprogramm der Ausstellung DINGE DES WISSENS der Universität Göttingen

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Der Grüffelo
Stück für Kinder ab 4 Jahren nach dem Bilderbuch von Julia Donaldson und Axel Scheffler


Wer klein und schwach ist, muss klug sein. Das ist eine alte Weisheit. Sie gilt vor allem für die Maus. Auf ihrem Weg durch den Wald muss sie sich beständig vor ihren vielen Feinden hüten, die sie zum Fressen gern haben. Und die Maus der Geschichte ist eine besonders schlaue und mutig noch dazu. Allen hungrigen Waldbewohnern, die ihr an den pelzigen Kragen wollen, erzählt sie kurzerhand, sie sei mit dem stärksten Tier weit und breit befreundet, ja sogar an Ort und Stelle verabredet, dem furchtbaren „Grüffelo“. Das Bild, das die Maus von ihrem fantastischen, Waldtiere verspeisenden Freund zeichnet, schlägt Fuchs, Eule und Schlange gehörig auf den Magen, so dass sie allesamt die Flucht antreten. Nur, was passiert, wenn die Mäusemärchen wahr werden und es das Monster tatsächlich gibt, das am Ende auch noch am liebsten Maus auf Butterbrot verputzt?


stille hunde haben sich der beliebten Bilderbuchgeschichte angenommen und mit Julia Donaldsons Tierfiguren eine aktionsreiche und witzige Hinterhofgeschichte für Kinder ab 4 Jahren über die Macht der Fantasie und die Stärke der Schwachen in Szene gesetzt.


Premiere: 18.11.2012 / APEX, Göttingen

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Und alle Tage Gesottenes und Gebratenes -

200 Jahre Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm

Szenische Lesung von ausgewählten Märchen der Erstausgabe von 1812

Musik von Bernd Nawothning

Im Dezember dieses Jahres kann sie ihren 200sten Geburtstag feiern - die Erstausgabe der „Kinder- und Hausmärchen”, mit der Jakob und Wilhelm Grimm sich weltweite Popularität sicherten. Das besondere Jubiläum war Anlass für den Göttinger Märchenland e.V. eine CD mit ausgewählten Märchen aus der Jubiläumsausgabe zu produzieren. Die Musik für dieses Hörbuch stammt vom international renommierten Jazzmusiker Bernd Nawothning. Gemeinsam mit dem Komponisten stellen die beiden Sprecher Stefan Dehler und Christoph Huber nun in einer musikalisch-szenischen Lesung bekannte und unbekannte Geschichten von vermeintlich kalten Fröschen, mutigen Schneidern, fleißigen und faulen Töchtern, nach Salat lüsternen Ehefrauen, an Nusskernen erstickenden Hühnern und seltsamen Wohngemeinschaften im Wortlaut der Originalausgabe vor.


Die CD, die unter dem Titel „Und alle Tage Gesottenes und Gebratenes“ 11 Märchen der Erstausgabe versammelt, wird bereits am 17. November im Rahmen eines Festakts im Göttinger Alten Rathaus veröffentlicht und ist beim Göttinger Märchenland e.V. sowie in der Tourist-Information, bei Saturn, Ton-Kost und den Göttinger Buchhandlungen erhältlich.


Premiere: 20.12.2012 / APEX, Göttingen



2013

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Wilhelm Tell

Szenische Lesung des Dramas von Friedrich Schiller


Erfunden haben sie ihn nicht, die Schweizer. Tatsache. Irgendwoher aus dem Dunkel nordischer Sagen stammt der Mann, der zur Strafe für die Unbotmäßigkeit gegenüber einem Fürsten dem eigenen Sohn den Apfel vom Kopf schießen muss. Dem auf Selbstbestimmung beharrenden Zusammenschluss von helvetischen Kleinfürsten gegen ein zur feindlichen Übernahme stets bereites Rest-Europa diente der selbstbewusste und selbstbestimmte Aufsässige unter dem Namen Wilhelm Tell dann als militantes Leitbild. Zum überzeitlichen Freiheitshelden hat den Partisanen schließlich ein vaterlandsflüchtiger Deutscher gemacht: Friedrich Schiller. In seinem letzten Drama stilisierte er den bergbäuerlichen Widerstand gegen die Herrschaftsansprüche der Habsburger zum universellen Freiheitswillen und gab damit die literarische Steilvorlage für den im Laufe des 19. Jahrhunderts aufblühenden Nationalmythos der Schweizer. Daneben bereicherte der Dichter mit seinem Actiondrama den Zitatenschatz der Deutschsprachigen um ein beträchtliches Konvolut. Heute erscheint der fiktive Held Tell selbst in der traditionsbewussten Schweiz ein wenig seines urwüchsigen Ernstes beraubt. Sein Bild ist zum drittklassigen Werbesignet abgesunken, inzwischen prangt das Bild des mythischen Ur-Schweizers auf Käseverpackungen und Fremdenverkehrsbroschüren, auf Shampooflaschen und Kindertrinkbechern, auf Einkaufstaschen und Bierdeckeln.


Stefan Dehler und Christoph Huber, idealerweise ein deutsch-schweizerisches Team, begeben sich mit Schillers Drama auf die Pfade Wilhelm Tells und erzählen von Liebe und Zorn eines Volkshelden wider Willens. Vielstimmig und vielbärtig, ernst und auch immer mal wieder erfrischend unernst berichten sie in ihrer szenischen Lesung von skrupellosen österreichischen Besatzern und von grundehrlichen Schweizer Bergbauern, vom Hut auf der Stange, von Kindern, die sich nicht vorstellen können, in einem Land zu leben, das keine Berge hat, vom Vorteil einer Axt im Haus, vom Apfelschuss und vom Attentat des Titelhelden in der hohlen Gasse. Wenn notwendig jodeln sie sogar und erklären darüber hinaus gerne das Wesen der Eidgenossen dem Rest der geneigten Welt.


Premiere: 11.01.2013 / Stadtbibliothek Göttingen / Eine Produktion für die Veranstaltungsreihe DIE LANGE NACHT DER LITERATUR des Arbeitskreises der südniedersächsischen Bibliotheken

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8. - 12. März 2013

stille hunde zu Gast in Österreich und der Schweiz


stille hunde gastiert in Linz und Wels mit der szenischen Lesung von Anton Tschechows Erzählung „In der Osternacht”, zu der die international renommierte Flötistin Elisabeth Möst musikalische Klangbilder beisteuert. Am 12. März stellen Stefan Dehler und Christoph Huber im Stadthaus Zürich zwei Märchen der Brüder Grimm vor.

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20. April 2013

stille hunde zu Gast in der Türkei


Im Rahmen des Deutschlehrertages an der IELEV-Schule in Istanbul führt Christoph Huber einen Workshop mit Lehrkräften durch. Schwerpunkt von DEUTSCH SPIELEND ERLERNEN ist die Vermittlung spielpädagogischer Übungen und Methoden für den Fremdsprachenunterricht.

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Die Geschichte vom Kalif Storch

Objekttheater nach dem Märchen von Wilhelm Hauff

Musik von Andreas Düker


Wo die Wirklichkeit Grenzen setzt, eröffnet die Magie Wege. Der Kalif von Bagdad wagt den Schritt in das Reich des Fantastischen, als er einem fliegenden Händler eine Droge abkauft, das ihn und seinen Wesir in Störche verwandelt. Der Zauber gerät jedoch zum Albtraum, denn die beiden vergessen das Wort, das ihnen die menschliche Gestalt zurückgeben kann. Der Kalif muss erkennen, dass er Opfer der Intrige eines bösen Magiers geworden ist, der die Herrschaft an sich reißen will. Kalif und Wesir bleibt nichts anderes übrig, als sich in ihr Schicksal zu fügen. Die Reise, auf die sich die Verwandelten nun begeben, führt sie jedoch auf verschlungenen Pfaden zurück zu Ansehen, Macht und Glück: zuerst in die Behausung einer in eine Eule verzauberten Prinzessin, dann zum geheimen Schlupfwinkel des Magiers und schließlich in Menschengestalt wieder nach Bagdad.


Stefan Dehler und Christoph Huber erzählen Wilhelm Hauffs berühmte Orientfantasie mit Mitteln des Figurentheaters nach. Die Musik dazu steuert der Göttinger Lautenist Andreas Düker bei.


Premiere: 11.05.2013 / APEX, Göttingen / Eine Produktion für das Rahmenprogramm der INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE GÖTTINGEN

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Das schwarze Dekameron

Szenische Lesung von erotischen Erzählungen aus Nordafrika


Es ist ein ungleicher Kampf, wenn die Vernunft gegen die Liebe antritt. In den meisten Fällen steht die Siegerin schon zu Beginn fest. In der Gewalt einer erotischen Fantasie werden auch ansonsten kluge Männer und Frauen zu gesetzlosen Verrückten. Angesehene Männer verwandeln sich in tolldreiste Verführer und bislang treue Ehefrauen werfen sich in die Arme von skrupellosen Liebhabern. Erst wenn der Rausch verflogen ist, kann der Verstand rettend eingreifen – wohl denen, die dann genug davon haben, um der Strafe entrinnen können.


Von der Herrschaft des Gefühls über den kühlen Kopf und den komischen wie tragischen Konsequenzen daraus erzählen die Mythen; Legenden, Märchen und Schwänke, die der deutsche Anthropologe und Kulturhistoriker Leo Frobenius Anfang des vergangenen Jahrhunderts auf seinen Reisen durch das nordöstliche Afrika aufgezeichnet. Sein Erzählband „Das schwarze Dekameron“ rückt die afrikanischen Erzähltraditionen in den Rang von Weltliteratur und stellt einen kulturgeschichtlichen Schatz von besonderer Bedeutung dar. Stefan Dehler und Christoph Huber stellen in ihrer szenischen Lesung die schönsten der Geschichten daraus vor.


Premiere: 16.05.2013 / Betten Heller, Göttingen / Eine Produktion für das Rahmenprogramm der INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE GÖTTINGEN

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Festakt 100 Jahre PHYWE Göttingen
10. Juni 2013 / Deutsches Theater in Göttingen

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Briefsteller
Szenische Lesung des Romans von Michail Schischkin


Eine Frau verliert ihren Liebhaber, aber nicht ihre Liebe. Sascha und Wolodja haben nur einen gemeinsamen Sommer, dann reißt der Krieg sie auseinander. In Gedanken bleiben sie sich nah, Briefe verbinden sie. Während Wolodja ihr von den täglichen Gräueln an der Front berichtet, erzählt Sascha von alltäglichen Begebenheiten, zeichnet ein Bild der vermeintlichen Normalität zu Hause. Als Wolodja umkommt, bedeutet sein Tod keine endgültige Trennung. Sascha hält an ihren Gefühlen fest. Sie schreibt weiter, unermüdlich, Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr um Jahr, und lässt den immer jungen Toten gegen alle Gesetze von Raum und Zeit, gegen die Widrigkeiten der Wirklichkeit und gegen alle Schicksalsschläge an ihrem ganzen Leben teilhaben.


Der Roman des 1961 in Moskau geborenen, in der Schweiz lebenden Autors Michail Schischkin ist inzwischen 25 Ländern erschienen und wurde auf der Leipziger Buchmesse 2012 für den Preis der besten Übersetzung nominiert.  Erste Theaterfassungen wurde bereits in Russland, der Ukraine und der Schweiz aufgeführt. Für die Göttinger Produktion hat Stefan Dehler den Text auf der Grundlage der Übersetzung von Andreas Tretner neu eingerichtet. Die Hauptrolle übernimmt Charlotte Schwab. Die gebürtige Schweizerin steht seit über dreißig Jahren auf der Bühne. Einem breiten Publikum wurde sie vor allem durch ihre zahlreichen Auftritte in Film- und Fernsehproduktionen bekannt.


Premiere: 03.08.2013 / Altes Rathaus Göttingen / Eine Produktion für den GÖTTINGER KULTURSOMMMER


Pressestimme


Jede tiefe seelische Verbindung zu einem anderen Menschen eröffnet Räume, durch deren Türen nur die Beteiligten gehen können.


Vielen Liebespaaren der Weltliteratur – seien es nun Romeo und Julia oder Ferdinand und Luise – bleibt bei allen Widrigkeiten, verursacht durch Familienfehden oder gesellschaftliche Hindernisse, nur der Tod als Tür zum Raum der Vereinigung, als ihr „Land der Liebenden“. Eine solche Figuren-Konstellation prägt auch den preisgekröntehn Roman „Briefsteller“ von Michail Schischkin. Zusammen mit der aus Theater, Film und Fernsehen bekannten Schauspielerin Charlotte Schwab brachten Stefan Dehler und Christoph Huber von den „Stillen Hunden“ den Roman als szenische Lesung auf die Kultursommerbühne des Alten Rathauses.


Die beiden durch Krieg voneinander getrennten Protagonisten aus Sascha und Wolodja, schreiben sich Briefe, sie von daheim, er aus dem Kampf gegen chinesische Rebellen im sogenannten Boxeraufstand Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie halten die Erinnerung aneinander wach, geben sich Halt. Die große räumliche Distanz lässt sie offener werden, ermöglicht einen innigen, intimen Austausch zwischen der weiblichen Welt Saschas daheim in Russland und der grauenhaften Männerwelt des Krieges.


„Mit dir bin ich ich“, schreibt Sascha ihrem Wolodja, den sie selbst nach seinem Tod fürs Vaterland nicht verliert. Er bleibt ihr Ansprechpartner, ihr Lotse durch die Untiefen des Lebens, jemand, den sie schreibend am Leben erhält. Facettenreich verkörperte Schwab mit ihrer tiefen, rauen Stimme sowohl die jugendlich verspielte Sascha, als auch die gesamte Entwicklung zur reiferen Frau, die sich ohne ihre erste große Liebe durchs Leben kämpft. Barfuß wandelt sie über die – das Moment der Vergangenheit betonende – mit weißen Tüchern verhüllte Bühne, die sie mit ihren Briefen (oder Leseblättern) bedeckt. Die Briefe sind alles, was bleibt. Hinter einem weißen Stoff steht ihr Liebster, ewig jung und lebendig, ihr ewig nah.


Darsteller und Lesende wandeln zuweilen mutig, aber gekonnt auf dem schmalen Grat zur Rührseligkeit. So manche Szene geht in ihrer detaillierten Beschreibung und schonungslosen Darstellung an die Schmerzgrenze, so zum Beispiel der Verlust von Saschas Kind. Bedrückende Momente, zu der die Hitze im Raum ihr Übriges tut. Aber auch ohne diese Hitze hätte der „Briefsteller“ wohl kaum jemandem an diesem Abend kalt gelassen, und man geht mit dem sehr dringlichen Gefühl, endlich mal wieder einen aufrichtigen, inhaltsvollen Brief an einen lieben Menschen schreiben zu müssen. Zur Krönung vielleicht sogar mit Tinte auf Papier.


Göttinger Tageblatt 05. August 2013

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Macbeth
nach der Tragödie von William Shakespeare


Macbeth, Vasall im Dienst König Duncans, öffnet Ohr und Herz bösen Einflüsterungen: Ermutigt durch seine Erfolge an der Kriegsfront, spielt er mit dem Gedanken, eine höhere Laufbahn einzuschlagen. Leider stehen ihm noch die erbberechtigten Söhne des Königs und moralischen Skrupel im Weg. Sein Ehrgefühl kann seine Ehefrau so weit dämpfen, dass er zum Königsmord bereit ist. Als Duncan in seinem Haus eine Siegesfeier abhält, scheint die Gelegenheit gekommen. Mit Hilfe seiner Frau ermordet Macbeth den Dienstherrn und schiebt die Schuld auf dessen Leibwache. Die Söhne des Toten fliehen aus Angst, ebenfalls angegriffen zu werden. Macbeth lässt sich zum neuen Anführer wählen. Damit scheint er am Ziel seiner Wünsche. Frieden findet er aber nicht; im Gegenteil: Die Angst, entlarvt zu werden, steigert sich. Seinen langjährigen Kampfgenossen Banquo lässt er töten, um einen Mitwisser und Konkurrenten loszuwerden. Die Prophezeiung, dass er niemanden zu fürchten brauche, wenn er nur rücksichtslos genug vorgehe, macht ihn selbstsicher. Das Blatt wendet sich, als er den Bogen überspannt und die Familie Macduffs, in dem er einen Verräter wittert, umbringen lässt. Seine Gegner bilden nun eine tödliche Allianz. Während seine Frau, die einstige Triebfeder seines Tuns, in selbstzerstörerischem Wahnsinn versinkt, kämpft der geächtete und verfolgte Macbeth in trotziger Selbstüberschätzung den letzten Kampf.


stille hunde zeigen Shakespeares Tragödie vom Aufstieg und Fall eines Königsmörders als konzentrierten kammerspielhaften Psychokrimi. Die eigens für die Produktion entwickelte Textfassung konzentriert das Spiel kunstvoll auf die Hauptfiguren des Dramas: Menschen, die einander verführen und verraten, mal Täter, mal Opfer, immer aber Getriebene und Verlorene sind.


Premiere: 10.08.2013 / Schloss Ritmarshausen, Gleichen


Pressestimme


„Wann sehn wir drei uns nächstes Mal, bei Regen oder Wetterstrahl?“ Die drei Hexen, die unter Donner, Blitz und schaurigen Unkenrufen Shakespeares „Macbeth“ eröffnen, sehen heute anders aus als sonst. Zwei von ihnen sind eindeutig Männer, die dritte eine Frau. Und der freie Platz, auf dem sie sich treffen, ist nicht auf einer Theaterbühne angesiedelt, sondern in einem herrschaftlichen Wohnraum.


Die Spielfläche nimmt die gute Hälfte des Zimmers ein, gegenüber sitzen ungefähr 50 Zuschauer. Sie verfolgen gebannt das grausige Schicksal, das Macbeth erst zum König aufsteigen lässt und ihn am Ende in den verdienten Tod führt.

Im Schloss in Rittmarshausen spielen die „Stillen Hunde“ in der Besetzung mit Christoph Huber, Stefan Dehler und Maja Müller ihre „Macbeth“-Fassung. Das 1713 erbaute Haus, mit den Jahrhunderten etwas heruntergekommen, dafür aber mit dem Charme seiner Geschichte gesegnet, ist ein ungewöhnlicher, zugleich faszinierender Rahmen für Shakespeares Geschichte.


In ihrer Textfassung haben Dehler, Huber und Müller die Nebenfiguren – Herren, Edle, Kriegsleute, Mörder, Diener, Boten und andere – dem kürzenden Strich geopfert. Huber ist in erster Linie für Macbeth zuständig, Müller für Lady Macbeth und Dehler für Duncan, Banquo, Macduff und weitere mehr. Schlüpfen sie aus einer Rolle in die nächste, ändern sie ein paar Kostümelemente, ihren Gang, die Sprechweise – und sind so im Nu ein anderer Charakter mit eigenen Konturen. Das funktioniert großartig.


So kann sich das Drama auf ungewöhnlich packende Weise entwickeln. Wie sich beim kühnen Kriegshelden Macbeth der Gedanke an eine mögliche Königswürde Stück für Stück einnistet und wie er dann in seinem Machtstreben im wahrsten Sinne über Leichen geht, dieser Vorgang vollzieht sich bei Huber so beklemmend folgerichtig, dass man bisweilen eine Gänsehaut verspürt.


Dehler gibt in seinen Rollen meist den strategisch genau planenden Gegenspieler des machtgierigen Königs, distanziert, klug. Als Lady Macbeth verkörpert Maja Müller die Rolle der Drahtzieherin im Hintergrund: Zumindest anfangs tanzt Macbeth nach ihrer Pfeife – bis sie vom Übermaß der selbst verschuldeten blutigen Meucheleien in den Wahnsinn getrieben wird.

Die Reduktion des Dramas auf das Spiel im Zimmer bringt Schauspieler und Zuschauer in beinahe hautnahen Kontakt. Einzig bei großen Gefühlsausbrüchen erzeugt diese Nähe eine gewisse Beklemmung. Theaterblut fließt nirgends – die Farbe Rot, für dieses Stück zwingend, stammt von einem vor dem Schloss installierten Scheinwerfer, der einen blutigen Schein auf die Zimmerdecke wirft.


„Macbeth“ ist eines der kürzesten Dramen Shakespeares. Aber auch in der gekürzten Fassung ist es noch gut zwei Stunden lang – ein spannungsreicher, stellenweise geradezu elektrisierender Psycho-Krimi, der vom Premierenpublikum mit lang anhaltendem Applaus bedacht wurde.


Göttinger Tageblatt, 16.08.2013

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In achtzig Tagen um die Welt

Szenische Lesung des Romans von Jules Verne


Der Mensch wird größer, die Welt kleiner – eine groteske Wechselbeziehung: In dem Maß wie die Dimension des menschlichen Selbstbildes zugenommen hat, scheint der Erdball geschrumpft. Was vor 150 Jahren noch unendliche Weite schien, grenzenlos, unerreich- und unerforschbar ist heute nur mehr „globales Dorf“. Inzwischen bringt uns ein Mausklick mit Menschen in Kalkutta, Nowgorod, Seattle oder Kampala zusammen. Weltweit operierende Tourismuskonzerne bewegen Ströme von Reisewilligen um die ganze  Erde zu möglichst abgelegenen Badestränden, auf die höchsten Gipfel und bis hinunter auf den Meeresgrund. Eine morgendliche Konferenz in London und ein abendliches Arbeitsessen in Zürich mit anschließendem Heimflug ist für einen Hamburger Geschäftsmann eine alltägliche Selbstverständlichkeit.   Die radikale Weltverkleinerung hat seit ihren Anfängen zu Beginn der frühen Neuzeit mit einem gewaltigen Schub ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart kein Ende gefunden. Einer der ersten Chronisten und Visionäre dieser Entwicklung ist der französische Schriftsteller Jules Verne. Seine fiktiven Reisebeschreibungen zu Mond, in die Tiefsee, an die Grenzen der Atmosphäre und rund um die Welt sind Meisterwerke der Science-Fiction- und Abenteuerliteratur. Unzählige Bearbeitungen und Filme haben seine Szenarien und Figuren zu Mythen der Moderne damit zu populärem Allgemeingut gemacht.  Schon im Titel thematisiert der 1873 erschienene Roman „In achtzig Tagen um die Welt“ die Jules Vernes kühne Vorwegnahme heutiger Infrastruktur und Mobilität: Der exzentrische englische Lebemann Phileas Fogg wettet mit seinen ungläubigen Zeitgenossen, es heutzutage kein Problem mehr sei, den ganzen Erdball in nur achtzig Tagen zu umrunden, was er auch unter Einsatz seines Vermögens beweisen könne und wolle. Das abenteuerliche Experiment des verrückten Engländers gibt dem Autor Verne Gelegenheit exotische Schauplätze und Charaktere, aber auch die tatsächlich bestehenden Verkehrsverbindungen der damaligen Zeit als Meisterleistung menschlicher Kreativität und Weltbeherrschung vor Augen zu führen. Was in der Gegenwart als nostalgisches Unterfangen erscheint, muss dem Lesepublikum Jules Vernes als reines Phantasieprodukt vorgekommen sein. Tatsächlich aber beschreibt der Autor eine Mobilitätstechnik und Verkehrswege, die es zu seiner Zeit bereits gab und die auch von einer geschäftstüchtigen Elite intensiv genutzt wurde, um internationale ihre Geschäfte zu betreiben. Radikal modern und gegenwartstypisch ist die Einstellung des Helden Fogg. Der nämlich erkennt, dass der Globus radikal geschrumpft ist. Die Verlockungen ferner Länder und Abenteuer sind es nicht, die ihn zu seiner spektakulären Reise anregen, sondern nur der Beweis der schnellen Fortbewegung. Die Reise als persönliche Erfahrung, die Philosophie vom Weg als Ziel hat ausgedient. Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit sind die Beschleuniger der Bewegung. Und obwohl Mister Fogg gar keine geschäftlichen Interessen mit seiner Reise verbindet, entwirft er das Bild einer Welt, die vor allem durch die kapitalistischen Waren- und Menschenbewegungen ein radikal neues, vielleicht auch abstoßendes Gesicht bekommen hat.


Stefan Dehler und Christoph Huber setzen sich mit Jules Vernes Buch in der Hand auf die Spuren des berühmten Weltumrunders und suchen die Schauplätze seiner berühmten Abenteuer auf. In ihrer szenischen Lesung geraten die Wege von London nach Bombay, von Delhi nach Yokohama und von San Francisco nach New York und Dublin zu den sprichwörtlichen „Katzensprüngen“ – und werden allen modernen Mobilitätsphilosophien zu vergnüglichen Bildungsreisen.


Wiederaufnahme der Produktion aus dem Jahr 2008: 01.11.2013 / Stadtbibliothek Göttingen

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Cowboy Klaus und das pupsende Pony
Stück für Kinder ab 4 Jahren

nach dem Buch von Eva Muszynski und Karsten Teich

Musik von Leon Hast

Zu einem richtigen Cowboy fehlt Klaus noch einiges. Richtige Cowboys schlafen nämlich nachts am Lagerfeuer und trinken Kaffee aus Blechtassen. Klaus schläft nicht am Lagerfeuer, sondern im Federbett und er trinkt aus einer Porzellantasse mit Blümchenmuster. Seine Arbeit ist auch nicht das Kühetreiben, sondern findet auf den Feldern seines Bauernhofs statt. Natürlich stinkt ihm das. Als es ihm eines Tages bei der Maisernte besonders stinkt, entdeckt er auf einmal ein Pony, das mitten im Feld steht, Maiskolben frisst und pupst. Klaus ist glücklich. Ein solches Reittier kann er gut gebrauchen, wenn er seinem Traum vom Cowboyleben ein Stück näher kommen will. Leider lässt sich das Pony nicht einfach so reiten, sondern rast mit Klaus davon, um ihn irgendwo draußen in der Wildnis vor die Füße eines Fremden zu werfen...


Stefan Dehler und Christoph Huber werfen sich mit Lust am kindgerecht höheren Blödsinn in das Cowboy-und-Indianer-Spiel frei nach dem Buch von Eva Muszynski und Karsten Teich. Dabei entdecken sie die Verwandlungsfähigkeit von Alltagsgegenständen, und lassen so aus Gummihandschuhen Kaktusfeigen wachsen, einem Blecheimer Kuhhörner sprießen, verwandeln ein Stuhlkissen in ein eifrig Marmeladebrote schmierendes Hausschwein - und vieles andere mehr. Leon Hast steuert dazu eine schmissige Bühnemusik vom Rand des Geschehens aus bei.


Premiere: 17.11.2013 / APEX, Göttingen



2014

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Der kleine Opernfreund: Made in Germany
Ein kabarettistischer Streifzug durch Adelshäuser und Ruhmeshallen


Das Sympathische an den Engländern ist, dass sie so pragmatisch veranlagt sind, findet Herr Freund. Während im Falle existenzieller Krisen die Deutschen in langwieriges und stets unheilbringendes Brüten verfallen, findet sich der Durchschnittsbrite mit der Empfehlung „Love it or leave it” bestens beraten. Da das Lieben - was auch immer sie darunter verstehen mögen - den Briten schon immer leichter gefallen ist als andere Extremlösungen, konnte es passieren, dass in Ermangelung von heimischen Musiktalenten ein sächsischer Virtuose das Opern- und Oratoriengeschäft in London an sich reißen konnte und in Ermangelung von geeigneten muttersprachlichen Titelanwärtern ein niedersächsischer Adeliger die britische Krone. Dass die beiden Fälle immerhin schon 250 Jahre zurückliegen, kann Herrn Freund nicht davon abhalten, darüber in bewunderndes Erstaunen zu geraten. Gemeinsam mit seinem Bekannten vom Fach, dem Ex-Opernbariton Sawtschenko, geht er den Spuren der beiden Wahlengländern made in Germany nach und erklärt frei von fundiertem Fachwissen, wie der eine und der andere Georg nach England kamen und was sie so erfolgreich machte.


Stefan Dehler und Christoph Huber schlüpfen für eine kabarettistische Bühnenstunde in die Rollen des bemühten Opernliebhabers Freund und des abgehalfterten Sängers Sawtschenko, um sich ungezwungen über Langmut und Leidenschaften der Briten, deutsche Wertarbeit, wahren und falschen Adel, Bratwurst, Porridge und Porter auszulassen - wenn möglich gerne auch mit Musikbeispielen.

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Faust - Der Tragödie erster Teil
von Johann Wolfgang Goethe


Der Universalgelehrte Faust ist mit dem Latein am Ende. Seiner quälenden Neugier sind nach Jahren des Forschens und Studierens endgültig Grenzen gesetzt. Kein Buch und weder wissenschaftliche noch magische Verfahren können ihm das Geheimnis des Daseins enthüllen. Enttäuscht von der eigenen Unzulänglichkeit erwägt er den Selbstmord als letzten Schritt zur Erkenntnis. Nur das Heilsversprechen der Osternacht hält ihn zurück, und so trifft ihn am nächsten Tag der Teufel Mephistopheles noch lebend an, um ihm einen Pakt vorzuschlagen. In der Gewissheit nichts verlieren und nur gewinnen zu können, vertraut sich Faust ganz der Führung des bösen Geistes an. Durch Zauberkräfte in seine Jugendgestalt zurückversetzt, lernt er nun die Welt von ihrer sinnlichen Seite kennen. Einen vorläufigen Höhepunkt des Genusses erlebt Faust in der Liebe zu Gretchen. Die heimliche Beziehung dauert nicht lange. Mephisto verleitet Faust zu anderen Exzessen. Der Gedanke an die Geliebte lässt Faust aber nicht los. Gegen Mephistos Rat will er sich ihr wieder zuwenden - zu spät, denn die über seine Untreue verzweifelt junge Frau hat ihr gemeinsames Kind getötet und ist zum Tod verurteilt worden. Noch im Kerker versucht Faust, Gretchen zur gemeinsamen Flucht zu überreden, doch sie hat sich bereits für Reue und Sühne und gegen ein Leben an seiner Seite entschieden.


Pressestimme


Also, eigentlich ist die Geschichte ja ganz einfach. Alternder Wissenschaftler bekommt Schaffens Lebenskrise, gerät in schlechte Gesellschaft, verführt ein Mädchen und stürzt alle ins Unglück. Nicht mehr und nicht weniger, das ist der Plot von "Faust. Der Tragödie erster Teil". Mit ihrer Inszenierung in der Klosterkirche Nikolausberg am 8. März haben die stillen hunde das deutsche Überstück neu strukturiert, auf das Wesentliche reduziert und die Sicht auf eine Figur gelenkt, die im Ich-erklär-die-ganze-Welt-Werk schnell mal zur Randfigur wird und die Gretchenfrage neu gestellt.


Im Vergleich zu den anderen Inszenierung in dieser Saison ist diese Aufführung ist fast schon ein Anti-Typ. Die gewaltigen Aufbauten fehlen komplett. Das Seitenschiff der romanischen Kirche ist Bühne und Bühnenbild zugleich, einziges Gestaltungsmittel ist Licht. Das weiße Licht zeichnet harte Schatten, rotes Licht tauscht die Mauer des Seitenschiff in Blut. Den Raum zu nutzen, ihn als Teil der Aufführung geschickt einzusetzen, das wissen die stillen hunde zu nutzen, als "Christ ist auferstanden" als österlicher Choral durch die Kirche hallt. Das Publikum antwortet in Nikolausberg mit gespannten Lauschen.


Christoph Huber und Stefan Dehler haben die Requisiten auf ein Minimum geschrumpft, an Stelle des symbolischen Handelns tritt das Wort in den Vordergrund. Unterstützt wird diese Aussage von den sparsamen Gitarrenklängen von Leon Hast. Die  Konzentration auf die tragenden Teile bedeutet eine Befreiung des Textes.


Es gilt vor allem das gesprochene Wort und dies führt zu einer Neuentdeckung. Unter all dem Beiwerk schaut nun hervor, was der Dichter uns wirklich sagen wollte. Dies ist eine Menge und es braucht schon Meister ihres Fachs, um diese Menge auch beim Publikum ankommen zu lassen. Aber keine Angst, es ist keine textlastiger Abend, keine Lesung mit bewegten Vortragenden. Wer sich solch eine Bürde aufbindet, der muss sich seiner Sache sehr sicher sein.


An diesem Abend zeigen Christoph Huber als Mephisto und Stefan Dehler in der Titelrolle alles, was Schauspielern ausmacht. Sie variieren die Sprache, proklamieren, zweifeln, flüstern, brüllen, schmeicheln, drohen. Sie haben in jeder Situation die passende Geste, die dazugehörige Mimik. Weil die Rampe fehlt, weil das Publikum ganz nah dran ist am Geschehen, darf es dieses Schauspiel eben intensiv miterleben. Darin ergänzen sich Christoph Huber und Stefan Dehler kongenial. Huber ist als Mephisto im Luden-Look der Mann für die großen Gesten und das teuflische Grinsen. Mit großen Schritten durch misst er den Kirchenraum und gibt der Inszenierung das nötige Tempo. Gäbe es einen Mephisto-Gedächtnispreis, wegen seines diabolischen Lachens wäre Christoph Huber allererster Anwärter für die kommenden drei Jahre.


Stefan Dehlers Werkzeug ist das Wort. Mal laut, mal leise, alle bestimmt, mal zweifelnd, mal auf jubelnden  Höhen, mal im tiefen Keller der Selbstzerfleischung arbeitet er alle Feinheit der Textvorlage heraus und macht sie zu seiner eigen Sache. Die Pause, die Sekundenbruchteile zwischen den Worten, lassen das Gesagte wirken. Eben diese Kunstpausen setzen den Kontrast zum rasenden Mephisto, entschleunigen die Aufführung und schaffen den Zeitraum, um das Gesagte wirken zu lassen.


Während Huber knallendrot gekleidet ist, trägt Dehler die Uniform der alternden Oberstudienräte: mausgrau. Doch aus dieser Rolle befreit sich Dr. Faust, als er auf Gretchen, das junge Dinge, trifft. Hier gewinnt die Inszenierung an Geschwindigkeit. Der Selbstverzweifler wird zum Treibenden, zum Verführer, zum Fordernden. Fast kippt das Verhältnis Mephsito-Faust. Zwischen Protagonist und Antagonist entsteht eine neue Ko-Abhängigkeit.


Es ist eben die Gretchen-Tragödie, die diese Aufführung bestimmt und damit betrachten die stillen hunde und ihr Publikum Goethes Werk aus einem anderen Blickwinkel. War das Unglück der jungen Frau bisher ein Kolateralschaden auf Fausts Weg hin zu neuer Erkenntnis, wird die Verführung der Minderjährigen nun zum Hauptthema. In dieser Inszenierung setzt Faust die Abwärtsspirale ganz bewusst in Gang. Als ihm die Folgen seines Handelns klar werden, muss Mephisto als Sündenbock herhalten. Aufhalten können sie den Gang der Ding nicht mehr. Mephisto und Faust haben die Kontrolle verloren.


In der Rolle der verführten Minderjährigen wird Maja Müller-Bula fast zermahlen zwischen Huber und Dehler, den beiden Säulen dieser Aufführung.Es scheint, als dass sie sich aus deren langen Schatten heraus erst warm spielen muss. Doch die Schlussszene im Kerker macht sie ebenbürtig und der verzweifelte Schrei der Totegeweihten hallt noch lange nach in der dunklen Kirche.


Der Kritiker / Thomas Kügler, 10.03.2014

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Tartuffe
nach der Komödie von Molière


Die Dummen sterben nicht aus, und diejenigen, die von ihnen leben, werden also auch nicht weniger. Während der wohlhabende Orgon aufrichtig daran glaubt, einen geläuterten Menschen in dem Ex-Häftling Tartuffe gefunden zu haben, lebt sein vormals krimineller Hausgast seine bisweilen amoralischen Bedürfnisse voll und ganz aus. Dass sich Orgons Familie darüber empört, stört weder den Hausherrn noch Tartuffe...


Molières satirischer Kommentar zu den Erlösungssehnsüchten eines von Besitzerwerb und Besitzstandwahrung moralisch gebeutelten Bürgertums und dessen menschlich-allzumenschlichen Dämonen hat stille hunde zu einer freien Nachdichtung angeregt. Die von der Kritik gelobte Neuproduktion der einstigen Skandal-Komödie entstand 2014 anlässlich des Jubiläums der Uraufführung vor 350 Jahren.


Pressestimme


Madame (Maja Müller) ist so richtig in Fahrt und redet sich so einiges schön beim Telefonat mit ihrem Bruder: Die Schwiegermutter liege total falsch mit allen Anschuldigungen gegen sie, den Gatten und dessen Kinder. Nein, die siebzehnjährige Tochter sei kein Flittchen, man habe da nur schon mal was wegmachen müssen und nein, sie selbst sei nicht verschwenderisch, schmeiße Handtaschen nur alle halbe Jahre weg, weil sie nicht  mehr zu ihrem Stil passten. Alkohol? Damit habe sie kein Problem, ereifert sie sich fleißig trinkend. Bei ihr sei alles in Ordnung, nur dieser Tartuffe in ihrem Haus. Ja, dieser Tartuffe (Christoph Huber).

Für die einen ist Tartuffe ein lästiger Möchtegern-Guru, der immer schön langsam eine moralische Plattitüde nach der anderen erbricht, für das Familienoberhaupt Orgon (Stefan Dehler) „ein Wegweiser aus dem Tal der spirituellen Verwahrlosung“. Wer sich schuldig und unwohl in seiner Haut fühlt wie der reiche und einsame Orgon, sucht nach Erleichterung und ist leichtes Futter für einen Betrüger.


Tartuffe ist alles für Orgon, vor allem eine riesige Imaginationsfläche für alles, was ihm fehlt, ein Trostpflaster auf seinem Schuldempfinden, ein Ausweg  aus seinem sinnentleerten Dasein. Wie ein Ertrinkender hängt er sich in der Inszenierung an den massigen Tartuffe, bis dieser mal austreten muss. Dies ist einer der ganz starken und schreiend komischen Momente dieser Tartuffe-Fassung.

Das Personal wurde von ursprünglich neun auf drei Hauptfiguren gekürzt, ohne dass es lückenhaft wirkt. Haushälterin Dorine ist gefühlt immer da, wenn einer nach ihr schreit oder der Staubsauger tönt, Tochter Mariane, wenn Rockmusik aus dem Hintergrund lärmt. Hier fügt sich einfach alles zusammen. Die einmal herrschaftlichen und nun eher fadenscheinigen Räumlichkeiten des Schlosses passen zum moralischen Zustand der Familie.


Theater auf so engem Raum zu erleben wie das Publikum hier, versprüht ohnehin meist einen besonderen Charme, vor allem, wenn die Schauspieler nur so durch die Inszenierung fliegen wie hier, wahrhaft mühelos. Die Modernisierungen des Textes stehen Molières Skandalstück, dessen Uraufführung vor 350 Jahren stattfand, ausgesprochen gut. Die dem Stück eigene Kritik religiösen Heuchlertums erregte damals großen Aufruhr und führte zum Aufführungsverbot. Erst eine dritte Fassung des Werkes wurde geduldet.


Die Inszenierung mit ihrem Tempo, dem Spaß an der Zweideutigkeit und den herrlich überzeichneten Charakteren wird vom Publikum ausgelassen gefeiert und ist ein ganz großes Theatervergnügen.


Göttinger Tageblatt, 23.07.2014



2015

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Wo, bitte, geht's zum Gänseliesel?
Eine Revue


Göttingen ist eine Reise wert. Aus gutem Grund. Soviel ist klar, wenn leider auch nicht allen, die Ausschau nach einem lohnenden Ziel halten. Und so legen sich seit 125 Jahren Männer und Frauen der Leinestadt mit vereinten Kräften ins Zeug, um In- wie Ausländern die Attraktionen von Stadt und Region nahezubringen. Ihre Geschichte und die Geschichte der von ihnen beworbenen Stadt ist das Thema der Revue, die vom lust- und leidvollen Trommeln für architektonische und andere Schönheiten, Pensionopolis und Kurbadplänen, Ansichtskartenschwemmen, Wandervögelzügen, Festen und Festspielen erzählt.


Gemeinsam mit dem Göttingen Tourismus e.V., der Göttinger Stadtkantorei St. Johannis unter der Leitung von Bernd Eberhardt, Schülerinnen und Schülern des Max-Planck-Gymnasiums und des Hainberggymnasiums hat das Team von stille hunde anlässlich des 125sten Geburtstag des Göttingen Tourismus e.V. eine szenisch-musikalische Collage erarbeitet, die an vier Terminen  in der Stadtkirche St. Johannis gezeigt wird.


Pressestimme


„Wo bitte gehts zum Gänseliesel“: Der Titel der Göttingen-Revue, die am Freitag in der St.-Johanniskirche uraufgeführt wurde und am Sonnabend noch einmal gezeigt wird, hat sich wie ein roter Faden durch das Stück gezogen. Der musikalische Streifzug durch die touristische Geschichte der Stadt wurde von rund 330 Premierengäste mit kräftigem Applaus bedacht.


Wenn die Stadtkantorei Trios „Da-da-da“ singt, dann ist das schon etwas besonderes. Zu Beginn des Stückes, das sich um eine Theateraufführung dreht, lief es musikalisch etwas getragen an, spätestens nach der Pause aber gewann die Revue dann ordentlich an Schwung. Nicht nur Trio, auch Barbaras Chanson oder die 68er-Hymne „We shall overcome“ oder das Solo „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ ließen die Gäste mitschwingen.


Das Stück, anlässlich des 125. Geburtstags des Vereins Göttingen Tourismus und aufgeführt von Christoph Huber, Stefan Dehler und Maja Müller-Bula, drehte sich um ein Theaterstück. Der Regisseur (Dehler) muss dabei mit allerlei Tücken klar kommen. Weder der Göttinger Regen, noch der Tanz der 32 Gründungsmitglieder des Tourismus-Vereins, weder die Flugzeuge noch die Trabbiparade hat die Requisite parat.


Unterstützt werden die drei Profischauspieler von Schülern des Hainberg- und des Max-Planck-Gymnasisums. Episode für Episode geht es vom späten 19. Jahrhundert über den zweiten Weltkrieg in die Wirtschaftswunderjahre und weiter über die Zeit des Mauerfalls bis ins neue Jahrtausend. Immer hat die Kantorei die passende Musik auf Lager. Und: Egal ober der Kriegsheimkehrer, die englische Touristin oder der moderne Nerd, sie alle wollen wissen, wo es denn nun zum Gänseliesel geht.


Die amüsante  Revue ist gespickt mit Göttinger Eigenarten – es geht auch um die Wurst, Bier und das Temperament der Göttinger. Denn, so meint „Lena“ (Müller-Bula) als bürgerliche Dame der Jahrhundertwende, „die Menschen in Göttingen sind nicht zu überschwänglich aber auch keine kalten Fische“.


Göttinger Tageblatt, 19. September 2015



2016
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Dantons Tod
von Georg Büchner


Das fünfte Jahr der Revolution hat einen ihrer größten Helden müde gemacht: George Danton, einst Idol der Massen und führender Politiker der jungen Republik, träumt vom Rückzug ins Privatleben. Das von ihm und seinen Anhängern geforderte Ende der massenhaften Hinrichtungen politischer Gegner provoziert die gegnerische Partei der Jakobiner. Deren Anführer Robespierre plant nach der Beseitigung der ultraradikalen Sozialrevolutionäre die Vernichtung des reichen und politisch gemäßigten Bürgertums, dem er die Schuld für die wirtschaftliche Misere anlastet. In Danton erkennt er einen gefährlichen Konkurrenten, der seinem Ziel einer durch Staatsterror geformten "Tugendrepublik" im Weg steht. Während Dantons Anhänger alles daransetzten, ihren widerstrebenden Anführer zu einem rettenden Gegenschlag zu bewegen, gelingt es Robespierres Parteigängern, die Weichen für einen Prozess zu stellen, der schließlich Dantons Tod besiegelt.


Der Fokus der Bühnenfassung für drei Darsteller, die auch Schlaglichter auf private und intime Momente im Leben der Revolutionsführer wirft, liegt dabei auf der Konfrontation zweier Machtpolitiker, die dem gemeinsam erstrittenen politischen Ziel, die Republik, auf radikal unterschiedliche Weisen die Zukunft sichern wollen.
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Othello
nach der Tragödie von William Shakespeare


Gegen den Widerstand ihrer Familie heiratet der aus Nordafrika stammende Söldnergeneral Othello die venezianische Senatorentochter Desdemona. Das Eheglück der beiden steht unter keinem guten Stern, denn hinter ihrem Rücken entfesselt Othellos alter Kampfgenosse Jago, der seinem Dienstherrn die Verweigerung einer längst überfälligen Beförderung nicht verzeihen kann, eine Intrige, die auf den guten Ruf Desdemonas zielt. Als Othello vom Senat beauftragt wird, die venezianischen Handelsrouten vor den Seestreitkräften des osmanischen Sultans zu verteidigen, ist Jagos Stunde gekommen. Im Militärcamp auf Zypern gelingt es ihm, in Othello den Verdacht keimen zu lassen, Desdemona setze eine schon in Venedig begonnene Affäre mit einem anderen Mann fort. Tief verunsichert und gequält von einer wachsenden Eifersucht verlangt Othello einen sicheren Beweis für die Untreue seiner Frau. Unter Druck gesetzt verschafft sich Jago ein Indiz, mit dem es ihm gelingt, die Wahrhaftigkeit seines Szenarios glaubhaft vorzutäuschen. Erschüttert trifft Othello eine fatale Entscheidung...


stille hunde hat den 400sten Todestag William Shakespeares zum Anlass genommen, die berühmte Tragödie um grenzenleugnende Liebe, gekränkten Ehrgeiz, Rache und blindmachende Eifersucht in einer zeitgemäßen Form nachzuerzählen.


Pressestimme


Die Theaterformation „Stille Hunde" präsentierte am Freitagabend ihre moderne Adaption von Shakespears Drama „Othello" im Schloss Rittmarshausen. Christoph Huber , Stefan Dehler und Maja Müller-Bula spinnen ein enges Netz aus Intrigen, Lügen und Verdächtigungen, aus dem es am Ende kein Entrinnen gibt.

Das Drama um Vertrauen und Eifersucht spielt sich auf Zypern ab, wo sich Othello, Heerführer der Venetianer, im Gefecht mit den Türken befindet. Seine frisch Vermählte ist in einem Haus abseits der Front untergebracht und bekommt zu ihrer Zerstreuung einen Leutnant zur Seite gestellt. Ein Nachmittag am Strand ist der Ausgangspunkt der unheilvollen Entwicklungen.


Die „Stillen Hunde" geben Shakespears Werk einen frischen und unterhaltsamen Anstrich. An die Stelle von langen Monologen treten Soldatenjargon und einige herzhafte Flüche. „Knallen Sie sie in den Büschen, ruinieren Sie ihnen das Kleid", rät Othello seinem Fähnrich, der sich auf seiner Hochzeit von den frustrierten Ehefrauen fernhalten will. Das Publikum lacht Tränen über den wimmernden Rodrigo, den Huber mit Schirmmütze und Jackett  in seiner zweiten Rolle spielt.


Die zentrale Figur ist Othellos Fähnrich Jago, der sich um seine Beförderungen zum Leutnant betrogen sieht. Er hat zu jedem Zeitpunkt die Fäden in der Hand, lenkt geschickt die Entscheidungen aller Beteiligten, und sät in Othello die Eifersucht. „Sie ist Venetianerin, die lernen das Fremdgehen schon von ihren Müttern", fachsimpelt er in dessen Beisein über Desdemona. Dehler springt mühelos vom loyalen Untergebenen zum rachsüchtigen Kriminellen, und verleiht jeder Facette seiner Rolle Glaubwürdigkeit.


Die Darsteller machen sich die Kulisse in der Beletage im Rittmarshäuser Schloss zu Nutze. Da hört man verzweifelte Rufe aus dem hallenden Treppenhaus, und der Klang von schweren Schritten auf dem Parkett kündigt Unheil an. Das Publikum sitzt so nah am Geschehen, dass Othellos ohnmächtiges Flüstern seine Wirkung genauso entfaltet wie sein Gebrüll.


Im Verlauf der Geschichte verliert der anfangs nüchtern kalkulierende General mehr und mehr die Beherrschung. Er schreit, flucht und schlägt auf die im Sofa zusammengekauerte Desdemona ein wie ein Berserker. Huber gelingt es, die latente Bedrohung von Szene zu Szene zu steigern. Im letzten Auftritt liegt sein Gesicht im Schatten, Desdemonas Unschuldsbeteuerungen erreichen ihn schon nicht mehr. Die Tragödie ist unausweichlich.


Die „Stillen Hunde" schaffen eine intensive Spannung, der sich das Publikum nicht entziehen kann, und halten dabei die Balance zwischen lockeren Sprüchen, intimen Liebesszenen und den hitzigen Auseinandersetzungen der Charaktere.


Göttinger Tageblatt, 27.08.2016



2017
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Moringer Bürgertheater interkulturell:

Ein Sommernachtstraum
frei nach Motiven von William Shakespeare


Shakespeares tragikomische Sommernachtsfantasie rund um Adelshochzeit und Elfenkrieg zeigt Menschen im Aufbruch: Junge Liebende flüchten aus der Enge ihrer Heimatstadt hinaus in die Wildnis, wo Freiheit und Selbstbestimmung locken, und eine engagierte Laienspielgruppe hofft auf künstlerische Eingebungen in der unberührten Natur. Die Wege führen jedoch weder die leidenschaftlich Liebenden noch die leidenschaftlichen Dilettanten geradlinig zum Ziel. Vor der Erfüllung ihrer Wünsche stehen den Mutigen einige Bewährungsproben im von Naturgeistern beherrschten nächtlichen Wald bevor...


Gemeinsam haben geflüchtete Menschen, Moringer Bürger/innen und Schüler/innen der KGS Moringen unter der Leitung von stille hunde ein Theaterstück frei nach Motiven aus Shakespeares berühmter Komödie erarbeitet. Getragen wird das Projekt vom teatro regio e.V. in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingshilfe und mehr in Moringen e.V., gefördert von den Sponsoren der KGS, dem Landschaftsverband Südniedersachsen e.V. und der Lotto-Sport-Stiftung.

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Pinocchio - Die abenteuerliche Geschichte eines Holzkopfs
nach dem Buch von Carlo Collodi


Am Anfang ist das Holz - kein gewöhnliches Brennholz, sondern ein Scheit, dem irgendeine Zaubermacht ein anarchisches Wesen eingepflanzt hat. Weil das Holz kein Tischbein werden will, wehrt es sich mit Schlägen gegen die Bearbeitung durch den Schreiner Kirsche. Erst dem Schnitzer Geppetto gelingt es, aus dem Klotz einen schönen Hampelmann zu fabrizieren, der - oh Wunder! - von der Werkbank springt, lacht, spricht und sich leider aber auch als unbelehrbarer Holzkopf zeigt. Denn er läuft davon und gerät in die Fänge von Despoten, Gaunern und Verführern, solange, bis er ein wenig klüger geworden ist...


Das Stück, das den Humor und die Fabulierkunst des Originals aufgreift, ist für Kinder ab 6 Jahren geeignet, richtet sich aber auch an ein erwachsenes Publikum, das Spaß an satirischem Witz und poetischer Ironie hat.



2018

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Bürgertheater Moringen interkulturell:

Faust
frei nach Motiven von Johann Wolfgang von Goethe


Der liebe Gott ist zum Wetten aufgelegt. Er lässt sich auf ein Spielchen mit dem Teufel ein. Der will beweisen, dass der Mensch an sich schwach ist. Als Kandidaten wählen sie Heinrich Faust, einen alten Gelehrten, der an den Grenzen des menschenmöglichen Wissens verzweifelt. Der Plan des Teufels scheint aufzugehen, als der Alte ihn als zaubermächtigen Diener annimmt. Körperlich verjüngt beginnt für Faust ein neues Leben. Sein intellektueller Ehrgeiz endet jedoch, als er dem Mädchen Margarethe begegnet und beide sich ineinander verlieben. Ihre heimlichen Treffen haben jedoch schlimme Folgen...


Gemeinsam haben geflüchtete Menschen aus Syrien und Eritrea, Moringer Bürgerinnen und Bürger, Schülerinnen und Schüler der KGS Moringen unter der Leitung von stille hunde ein Theaterstück frei nach Motiven aus Goethes berühmtem Drama erarbeitet.

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Don Juan
nach der Komödie von Tirso de Molina


Der in der internationalen Modeszene gefeierte Fotograf Juan Tenorio schert sich wenig um Konventionen, beruflich und privat. Seine Ehe mit der reichen Erbin Ana betreibt er seit Jahren als offene Zweierbeziehung. Ungeniert bedient er sich an Firmengeldern und am Vermögen seines Schwiegervaters, um sich seinen professionellen und erotischen Eskapaden hingeben zu können. Allerdings ist ihm und seinem Handlanger Catalinón im Laufe der Jahre in der gekränkten Ehefrau eine Todfeindin erwachsen. Die Situation spitzt sich zu, als Anas Vater im Sterben liegt und die Geldflüsse zu versiegen drohen. Nichtsdestotrotz setzt Juan seinen Lebenswandel fort - und geht sehenden Auges das Risiko einer Katastrophe ein.


Die Neufassung der um 1600 in Spanien sehr populären und vom Dramatiker Tirso de Molina erstmals auf die Bühne gebrachten Geschichte des tolldreisten Frauenhelden und Kriminellen verlegt die Handlung in ein Sevilla der Gegenwart und wirft ein satirisches Schlaglicht auf die aktuellen Genderdebatten.


Pressestimme


Sex, Drugs and Rock'n'Roll. Wer hätte gedacht, dass der Barockdichter Tirso de Molina die Vorlage für den Jetset des 21. Jahrhunderts geliefert hat. Man muss seinen Don Juan nur richtig lesen. Mit ihrer Adaption verlegen die stillen hunde die Gesichte über Lug und Trug nicht nur in die Jetzt-Zeit. Sie liefern damit eine mehr als reife Leistung ab.


Don Juan Tenorio ist ein Modefotograf, dessen Geschäfte schon seit geraumer Zeit nicht so optimal laufen. Das hindert ihn aber nicht, seinem ausschweifenden Lebensstil fortzusetzen. Die Lücken in der Kasse werden immer wieder mit dem Geld des Herrn Schwiegervater aufgefüllt. Dieser Umstand führt nicht dazu, dass Don Juan sich an das Treueversprechen seiner Frau gegenüber hält. Jede Nacht teilt er das Bett mit einer anderen Frau: Prostituierte, Groupies oder andere Starlets und It-Girls.

In Catalinón hat einen treuen Diener. Der ehemalige Türsteher ist nicht die hellste Kerze auf der Torte, aber immerhin verfügt er über das Gespür für die Situation und die wahren Machtverhältnisse. Doch seine Versuche, die Machenschaften seines Chefs zu decken, sind witzlos, denn die Gattin Don Ana weiß ist über alles bestens informiert.


Die Situation spitzt sich zu, als Juans Agentur mal wieder vor der Pleite steht und der Geldgeber im Sterben liegt. Don Ana wird die alleinige Erbin sein und ihrem Mann den Geldhahn zudrehen. So weit die Ausgangssituation. Von dieser Basis aus zeigen die hunde eine Inszenierung, die bis zum überraschenden Ende den Niedergang eines Ekels zeigt. Dabei lässt das Trio keine Gemeinheit und keine Anspielung aus. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es jemanden gibt, der sich moralisch noch unter dem Niveau von Don Juan befindet.


Ein opulenter Kronleuchter hängt von der Decke, darunter ein  sehr langer Tisch mit weißen Decken. Ist das die Tafel für das letzte Abendmahl oder einfach nur ein Laufsteg? Auf jeden Fall hat wohl das vorletzte Abendmahl stattgefunden. Ein Dutzend halbvoller und leerer Flaschen sind über den Tisch verteilt.


Zum Auftakt gibt es einen Knalleffekt. Don Juan stürmt in den Saal auf der Suche nach seinem Diener. Schließlich hat er einen Auftrag. Catalinon muss die Prostituierter aus dem Haus werfen, bevor Don Ana wach wird. Also knallt der Herr eine Flasche auf den Tisch. Alle sind wach.


Bademantel, Goldkettchen und wirres Haar, mit wenigen Mitteln wird Stefan Dehler zum Playboy der übernächtigten Sorte. Seine Bewegungen sind großspurig und fahrig, der Blick geht hin und her. Der Mann steht eindeutig unter Druck. Schließlich ist da nicht nur die Geschichte mit der Prostituierten. Don Juan Tenorio  muss endlich mal wieder einen Scoop landen. Sein Stern ist deutlich im Sinken begriffen.


In dieser Rolle liefert Stefan Dehler eine bemerkenswerte Leistung ab. Er macht die Anspannung des Titelhelden greifbar. Die Stimme ist meist in dem schmalen Bereich zwischen "bestimmt" und "überdrehbar". Das Gesicht schwankt hin und her zwischen überheblich und ernsthaft verzweifelt. Dennoch glänzt er immer noch als Manipulator. Seine Waffe ist das Wort und von genervt-angespannt schaltet Dehler blitzartig in den zuckersüßen Ton um. Hat er sein Opfer erst einmal umgarnt, geht es zurück in den Befehlston. Den hunden ist hier ein feines Psychogramm gelungen. dies wirkt in der intimen Atmosphäre der Spielstätte umso intensiver.


Opfer dieser Attacken ist die nie gesehene Esme, die in der Agentur den brüchigen Laden zusammenhalten muss und die Befehle per Telefon entgegennehmen nimmt. Überhaupt ist das vielfache Telefonieren eine geschickte dramaturgische Wendung. Viele Nebenfiguren betreten nie die Bühne, sind aber im Gespräch präsent. Schließlich liegt in den Dialogen mit den Gesichtslosen durchaus wichtige Handlung. Auf die kann nicht verzichtet werden, aber muss an das vorhandene Personal angepasst werden. Mit dieser Dramaturgie ist dies gelungen.


Die stillen hunde haben auf einen Mix aus Gegenwartssprache und Barock verzichtet. Ihre Texte sind ganz dem Hier und Jetzt verpflichtet und die Vokabeln aus dem Managersprech und dem Künstlerfloskeln liefern als Anspielungen genug Schmunzler. Denglish ist eben die Sprache der Blender.


"Don Juan" hat schon früher die Schubladen gesprengt. Ist es Tragödie, Drama oder Komödie? Hier ist sie alles und den komödiantischen Anteil über nimmt Christoph Huber in der Rolle des Adlatus Catalinón. Man muss sich erst daran gewöhnen, dass jemand mit solcher Präsenz sich permanent klein macht und sich wegduckt. Doch es gelingt und mit dem Gegensatz zwischen Statur und Verhalten arbeitet Huber die Erbärmlichkeit dieser Figur umso besser heraus. Dabei gibt er dem Catalinón aber nicht der Lächerlichkeit preis. Er ist kein Hanswurst sondern nur Opfer der Umstände und eben Diener zweier widerstrebender Herrschaften.


Aus den Rest der Party gießt sich Don Juan eine Kater-Drink zusammen, zum Trinken kommt er nicht. Das Glas mit der Rotwein-Mischung wird im Lauf der zwei Stunden noch vielfach angehoben, angesetzt, aber nie ausgetrunken. Don Juan kommt nicht zum Trinken, weil nun das Hausmädchen Aminta den Saal betritt. Weiberheld und Bedienstete? Na klar, der Strauß-Kahn ist da.


Die Rolle des Hausmädchen ist nur eine von vier, die Maja Müller-Bula in dieser Inszenierung zum Leben erweckt. Verklemmt, eiskalter Engel oder naiv bis an die Grenze der Dämlichkeit. Die rasanten Wechsel zwischen Arbeitsmigratin, rachsüchtige Gattin und Soap-Darstellerin schafft sie ohne Brüche und ohne Verluste. Damit liefert sie hier wohl die kompletteste Leistung ab. Ihr erster Auftritt als zynische Hausherrin wird mit Szenenapplaus belohnt. Als Racheengel Dona Ana seziert sie mit erstaunlicher Kälte erst die Situation und dann das Leben ihre Mannes. Sprache und Gestik ist von jeglicher Emotion befreit, das muss man erst mal hinkriegen. Maja Müller-Bula macht den Rosenkrieg zu einer Management-Aufgabe, in dessen Prjekt auch die Biografie der Aminta nur ein Puzzleteil ist.


Die Don Ana der stillen hunde zieht ihren Rachefeldzug bis zum bitteren Ende durch. Dadurch verschieben sich die Gewichte deutlich. Nicht so sehr das Scheitern des Gunter Sachs im Handtaschenformat sondern  die Reaktionen seiner Umwelt und die Konsequenzen des moralischen Niedergangs stehen im Fokus. Das Stück könnte auch "Dona Ana" heißen. Sie ist die wahre Manipulatorin, die das Schlusswort hat. Da bleibt Catlinón nichts anders übrig, als den fragwürdigen Rotwein-Mix bis zur bittern Neige zu leeren.


Die Sprache ist in der Gegenwart und die Kostümierung auch. Die stillen hunde verzichten auf jegliche barocken Zitat und gehen damit den Weg konsequent fort. Auf den ersten Blick mag das Schloss Rittmarshausen der kongeniale Ort für eine Adelssaga zu sein. Doch der Gegensatz der reduzierten Inszenierung zu den klassizistischen Attributen der Spielstätte verdeutlicht das Ausmaß der Aktualisierung umso mehr. Vielleicht haben die stillen hunde den Don Juan nicht nur anders interpretiert. Vielleicht haben sie eine komplett neue Geschichte geschrieben und sich dabei lediglich von Tirso de Molina inspirieren lassen.
Auf jeden Fall liefern sie mit dieser Inszenierung ein zynische Statement zu moralischen Ansprüchen und Widersprüchen ab. Die Bezüge zu lebenden Personen sind gewollt und nicht zu übersehen. Damit ist "Don Juan" ist die nachhaltigste Leistung der stillen hunde.


Der Kritiker / Thomas Kügler, 04.09.2018



2019
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Bürgertheater Moringen interkulturell:

Romeo und Julia
nach William Shakespeare


Romeo liebt Julia - und Julia den Romeo: leider ein Ding der Unmöglichkeit, denn ihre Familien hassen sich bis aufs Blut. Trotzdem gehen die beiden - mit tatkräftiger Unterstützung von Freunden - den Bund fürs Leben ein. Aber ein böser Stern steht über ihrem Vorhaben und sorgt für glücklose Verwirrungen bis hin zum tränenreichen Finale.


Das interkulturelle Ensemble des Moringer Bürgertheaters hat sich der wohl bekanntesten Liebesgeschichte der Weltliteratur angenommen und ein Stück auf die Bühne gebracht, in dem - ganz im Geist Shakespeares - tragischer Witz und komische Verzweiflung, fantastische Momente und realistische Szenen, drastische Kolportage und feine Poesie, Modernes und Tradition gleichberechtigt nebeneinander stehen und zusammen ein großes, unterhaltsames Ganzes ergeben. Die Mixtur aus Krimi, Seifenoper, Pubertätsdrama und Gesellschaftssatire ist bereits die dritte Produktion, die der teatro regio e.V. mit der finanziellen Unterstützung zahlreicher Förderer gemeinsam mit dem Flüchtlingshilfe und mehr in Moringen e.V. ermöglicht.

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Ich fresse einen Kapaun -

Zu Tisch bei Georg Friedrich Händel
Eine kulinarische Biografie


Als sich das aufstrebende Musiktalent 1704 neunzehnjährig mit einem Kollegen von der Hamburger Gänsemarktoper duellierte, hätte das einen herben Verlust für die Musikwelt bedeuten können. Zum Glück traf sein Gegner, der Tenor, Cembalist und Komponist Mattheson nur einen Westenknopf und nicht ins Herz des jungen Georg Friedrich Händel. Und so konnte der nach dem ersten Hamburger Erfolg als Opernkomponist eine steile Karriere machen, die ihn nach Italien und endlich nach London führen sollte. Der Streit zwischen dem jungen Händel und dem jungen Mattheson, ausgelöst durch ein Gerangel um den Dirigentenplatz am Cembalo während einer Opernaufführung, wurde übrigens bei einem gemeinsamen Abendessen schließlich beigelegt. Zur Versöhnung der beiden Streithähne dürfte neben gutem Willen vor allem das deftige Menü inklusive einiger Flaschen guten Weins beigetragen haben. Für den Rest von Händels Leben sollten der kompromisslose, bisweilen handgreifliche Einsatz für seine Musik und die Liebe zu gutem Essen bestimmend sein.


Stefan Dehler und Christoph Huber gehen an diesem Abend den musikalischen wie der kulinarischen Vorlieben des großen Europäers nach, servieren zu einem deftig-barocken Vier-Gänge-Menü aus der Küche des GDA kulturhistorisch Schwergewichtiges, aber auch anekdotisch leichte Happen aus dem Leben Händels.
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Bürgertheater der Diakoniestiftung Einbeck:

Das kalte Herz
nach Wilhelm Hauff


Der junge Köhler Peter Munk will der Armut entfliehen. Seine ganze Hoffnung wirft er auf eine alte Legende. Im festen Glauben daran, dass im tiefen Tannenwald ein wundertätiger Geist haust, das Glasmännlein, das allen an einem Sonntag geborenen Menschen drei Wünsche erfüllt, macht er sich auf den Weg. Weit ab vom Dorf trifft er auf den unheimlichen Holländer-Michel, der ihm einen anderen Vorschlag macht, wie er zu Geld kommen kann. Peter schlägt das Angebot aus, weil er sich daran erinnert, dass erzählt wird, der Holländer-Michel stehe mit dem Teufel im Bund. Es gelingt ihm, das Glasmännlein zu finden. Er wünscht sich Geld und eine Glashütte. Das Glasmännlein gewährt ihm beides, ist aber enttäuscht über Peters Wünsche. Die Erfüllung eines dritten Wunsches schlägt der Waldgeist Peter ab. Als reicher Mann kehrt Peter in sein Dorf zurück. Mit dem Geld kauft er sich eine Glashütte und glaubt sich am Ziel seiner Träume. Aber er ist kein Geschäftsmann. Er verliert Geld mit der Fabrik und am Spieltisch. Vom Bankrott bedroht, erinnert sich Peter an den Holländer-Michel...


Im Auftrag der Diakoniestiftung Einbeck haben stille hunde mit Einbecker Bürgerinnen und Bürgern, Schülerinnen und Schülern verschiedener Altersstufen und Geflüchteten aus Syrien auf der Grundlage von Wilhelm Hauffs Märchen eine szenische Erzählung in 23 Bildern erarbeitet. In dem Stück wechseln chorische Passagen mit Spielszenen in Einfacher Sprache ab.


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Einen Klassiker von Wilhelm Hauff hat das Bürgertheater der Diakoniestiftung »Nächstenliebe in Einbeck« jetzt zweimal gespielt, vor vollem Haus und mit großem Erfolg: »Das kalte Herz«. Seit mehr als einem halben Jahr haben sich die Beteiligten – Einbecker Bürger, Migranten, Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Senioren – regelmäßig zu diesem Theaterprojekt getroffen, angeleitet von den »stillen hunden« aus Göttingen. Die Präsentation war rundweg gelungen, es gab eine schöne Interpretation des Märchens um den armen Köhler Peter Munk, der als reicher Mann nicht glücklich wird, die mit viel Beifall belohnt wurde.


Christoph Huber und Stefan Dehler haben als »stille hunde« mit den Mitwirkenden gearbeitet. Die organisatorische Koordination lag bei Mayssam Freitag von den »Neuen Nachbarn«. Huber erläuterte zunächst, dass die Mitwirkenden zwar »wahnsinnig viel Text« gelernt hätten, aber sie wollten auch, dass die »stillen hunde« mitmachten und ihnen ab und zu ein Stichwort zuwerfen würden, schmunzelte er.


Das war gar nicht oft nötig, denn die Schauspieler brachten ihre Rollen flott auf die Bühne des Gemeindehauses in der Lessingstraße. Hauptperson ist Peter Munk, ein armer Schlucker, dem das Geld zum Spielen und Trinken fehlt. Als »armer schwarzer Peter« wird der Köhler gehänselt. Trost findet er bei seiner Großmutter. Aber Peter ist ein Sonntagskind, und da kann viel passieren. Er will seinem Glück nachhelfen und ruft im Wald den Schatzhauser an, das Glasmännlein; er wohnt im Wald in einer Fichte, und weil er viele Gesichter hat, wurde er auch gleich doppelt besetzt.


Auf ihn habe er schon lange gewartet, bekommt Peter Munk zu hören. Drei Wünsche sollen dem Sonntagskind erfüllt werden, und Peter sagt, dass er reich werden möchte, damit er sich Haus, Kutsche und Pferde leisten kann. Aber Glück und Glas brechen leicht. Dennoch freut er sich darüber, dass er plötzlich die Taschen voller Geld hat. Davon kann er sich eine Glashütte kaufen, nachdem deren Besitzer verstorben ist. Peters Mutter ist indes nicht glücklich über den plötzlichen Reichtum: »Er ist so dumm«, sorgt sie sich um Peter, der das Geld mit vollen Händen ausgibt. Die Großmutter dagegen betrinkt sich mit dem Enkel.


Nach dem Motto »Wer kann, der kann« gibt Peter nun mächtig an. Warnungen wie »Ein Dummer kann reich werden, aber nicht reich bleiben« schlägt er in den Wind. Und tatsächlich versteht Peter nichts vom Geschäft, er verschleudert sein Geld, spielt und trinkt. Das Glück bleibt ihm nicht treu, es ist für ihn wie ein Fisch – einfach nicht zu halten.
Hilfe verspricht da der Holländer-Michel. Er ist sehr reich und auch großzügig, aber er gilt als Cousin des Teufels. Für die finanzielle Hilfe, die er Peter gewähren würde, verlangt er dessen Herz. Das sei der Ofen, auf dem die Suppe der Menschlichkeit gekocht werde. Eine ganze Sammlung von Herzen habe er schon, verrät er. Und Peter werde sich ohne Herz frei, stark und ohne Angst fühlen. Der schlägt ein, und sein echtes wird durch ein steinernes Herz ersetzt, ein Stück Fels, das ihn zugleich ewig jung hält. Dass die Sache einen Haken hat, bemerkt Peter bald: Er friert, und er spürt nichts mehr. »Alle Wunder der Erde sind nichts, wenn man einen Stein in der Brust hat.« Die Bitte, das Herz zurückzutauschen, schlägt der Holländer-Michel aber aus. Der arme Köhler, der sei Peter schon lange nicht mehr. Er solle sich eine schöne Frau kaufen, und er bekommt das Versprechen, dass seine Taschen immer wieder aufs Neue gefüllt werden.


Dieser Reichtum hat einen emotionalen Preis: Peter bedroht seine Mutter, wird hässlich gegenüber der geliebten Großmutter. Ein Teufel sei aus ihm geworden, stellen seine Mitmenschen fest. Und auch die Braut Lisbeth fürchtet, Peter sei kein Mensch. Als sie großzügig gegenüber Hilfsbedürftigen sein möchte, wird er wütend und erschlägt sie.
Doch er findet einen Weg, sie – und sich – zu retten: Gegenüber dem Holländer-Michel gibt er vor, das Steinherz sei nicht hart genug, es sei wohl zu Fleisch und Blut geworden. »Du hast mein Herz gekauft, nicht mein Leben«, hält er ihm vor. Er hat eine List ersonnen, indem er bittet, ihm das alte Herz für ein, zwei Minuten zu leihen. Während dieses Austauschs blendet er Michel mit einem silbernen Tannenzapfen, den er vom Glasmännlein bekommen hat, und er schickt ihn zur Hölle.


Märchenhaft wendet sich alles zum Guten: Lisbeth steht wieder von den Toten auf, und Peter wird der gute Mensch, der er früher war. So ein Tag komme so bald nicht wieder, freut er sich, »da braucht man Kirschwasser, bis einem alles vergeht.«


»Uns hat’s Spaß gemacht«, sagte der Vorsitzende des Kuratoriums der Diakoniestiftung, Michael Büchting, der auch selbst auf der Bühne gespielt hat. Er sprach vorsichtig von einer »Werkschau« und davon, dass man vor zwei Wochen alles absagen wollte. Jetzt sei er aber selbst »baff« gewesen, wie gut es gelaufen sei. Diese Zeit habe allen viel bedeutet, die gemeinsamen Monate des Probens hätten die Teilnehmer zusammengebracht. Sie konnten sich besser kennenlernen, offen aufeinander zugehen und einander verstehen: »Das war die Zeit wert.« Insbesondere dankte er Christoph Huber und Stefan Dehler für ihre Unterstützung, ohne die dieses Projekt nicht gelungen wäre.


Der Spaß der Mitwirkenden, die ihre Rollen mit großer Spielfreude sehr gut ausfüllten, übertrug sich auch auf die Zuschauer, und sie geizten am Ende nicht mit Applaus.


Einbecker Morgenpost, 19.06.2019



2020

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Bürgertheater Moringen interkulturell: Der Diener 2er Herren

nach Motiven der Komödie von Carlo Goldoni


Venedig sinkt, die Qualität des Espressos in den Cafés und die Hoffnung von Beatrice und Florindo. Die beiden Flüchtigen aus Turin haben sich in der Serenissima verabredete - ohne genaue Adresse - und scheinen nun verloren im Strudel der Touristenströme und der Wasserstraßen. Praktische Hilfe suchen die beiden bei Truffaldino, den sie zeitgleich als Laufburschen anheuern, ohne zu ahnen, dass der nun zwei Arbeitgeber hat und einiges anstellt, damit sich die Liebenden nicht über den Weg laufen. Es dauert also bis zum glücklichen Ende. In der Zwischenzeit schwappt viel kaltes Wasser in die Schuhe der Touristen, fließen heiße Tränen bei anderen Verliebten, kocht der Zorn von Brautvätern und -müttern hoch, wird nach einer elften und einer zwölften Proseccoflache gefahndet, verbrennen Krapfen in der Pfanne, wird Taubendreck von einer Bluse gewischt, eine Ratte gesichtet, etliche Fotos geschossen, und eine sehr leidenschaftlich Wasserleiche taucht auf oder auch nicht. Man sieht: Das Drama von Beatrice und Florindo ist nur eine schrecklich schöne Komödie unter vielen.


Zum vierten Mal haben sich Menschen unterschiedlicher Altersgruppen und Herkunft in Moringen zu einem Bürgertheaterensemble zusammengefunden, um unter der Leitung von stille hunde einen historischen Theaterstoff in eigener Interpretation auf die Bühne zu bringen. Als Ausgangsmaterial des Projekts diente Goldonis berühmtes Verwirrspiel rund um den Diener Truffaldino und seine beiden „Chefs”, das als vielstimmiges Stadtpanorama neu erzählt wird.


Die Produktion, deren Premiere für März 2020 vorbereitetet worden war, konnte pandemiebedingt nicht öffentlich gezeigt werden.



2021

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Bürgertheater Moringen interkulturell: Der schönste Tag

Theaterspaziergänge im Moringer Stadtpark (1)


Ein entlaufener Bräutigam, ein sprechender Fisch, wetterfühlige Liebende, märchenhaftes Jagdpech, reimende Köche, irgendetwas Faules im Staate Dänemark, Hexensud und vieles andere mehr sind die Zutaten der Minidramen, die das Ensemble an verschiedenen Schauplätzen unter freiem Himmel zeigt.


Die geführten Rundgänge, die im Abstand von 20 Minuten beginnen und etwa 70 Minuten dauern, haben ihren Startpunkt am Rathaus Moringen.


Premiere: 09.07.2021 / Stadtpark Moringen


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Dumm gelaufen, „der schönste Tag“. Der Bräutigam hat sich verdrückt und was die Braut jetzt über ihren vermeintlichen Märchenprinzen erfährt, lässt auch nicht auf das glückliche Finale hoffen, das die Brüder Grimm ihren Paaren gelegentlich gönnten. An den Fenstern der Moringer Burg wird mächtig gespottet über die aufgebrachte Schöne (Emma Boldt) und erst recht über diesen königlichen Hochstapler der offenbar bereits mehrere Bräute (Liane Henne, Kelly Yohana Serrano, Christa Zieker) mit List und Tücke abserviert hat. Sogar Plastikblumen regnet es Kübelweise auf die Gestalt in Weiß, die jetzt das Weite sucht und dabei von Edda Prellberg, Swenja Luttermann und Jule Vogeley Verstärkung bekommt, um ihr Publikum immer wieder zur Eile rufen kann. Der Theaterspaziergang durch den Moringer Park erfolgt in mehreren Gruppen, so dass immer mehrere Bräute unterwegs sind, um nach märchenhaften und anderen Verwicklungen Ausschau zu halten.

Andächtig flanieren und lauschen ist offenbar bei diesem Theaterspaziergang mit dem Moringer Bürgertheater interkulturell nicht vorgesehen Denn jetzt holt die Inszenierung der Stillen Hunde mit den Texten von Stefan Dehler erst recht Schwung. Selbst Kenner der Grimmschen Märchenwelt müssen sich in dieser wunderbar ironisch Textcollage über liebessehnsüchtige Paare und seltsame Begegnungen mächtig sputen, weil keine Episode den vertrauten Verlauf nimmt. Da können nicht mal der Fischer und seine Frau ihr klassisches Duell um Glück und Wohlstand und noch mehr lukratives Glück ausfechten, weil der Angler (Mohamad Mohamad) am Parkteich einen schweigenden Fisch in seinem Eimer hat und sich einfach über seinen Fang freut. Den wird auch die Frau (Ina Rath) nicht zum Sprechen bringen, die mit ihren gut situierten Verhältnissen hadert, weil es sonst nichts zu nörgeln gibt, und sich mit keiner Glücksvision zufrieden geben mag, über die ihr der Angler mit einem weisen Lächeln zu denken gibt.


Zu einer wetterwendischen Begegnung kommt es auf einer Wiese, an die sich der viel beschworene schönste Tag anschließen könnte. Bei Sonnenschein lässt sich natürlich wunderbar schmachten – aber eben auch bei Regen. Leider kann der Engel (Marthe Zieker) die Wettervorlieben des Paares (Grecia Álvarez Martinez und Mohamad Dalil) nicht harmonisch beflügeln und auch die Teufelin (Valeria Valesco Serrano) ist ratlos, ob diese Geschichte eher sonnige oder regnerische Aussichten verspricht. Das entscheidet am Ende die Gießkanne des Regenmachers, der abwechselnd auf zwei Stehleitern dafür sorgt, dass zwei nicht zueinander finden, wie sie jetzt unter ihren Regenschirmen verharren.


Auch die Beutejagd von Mutter und Tochter (Julia und Hanna Bonkewitz) bringt nicht die erwartete Belohnung im seidenen Kescher. Vielleicht war es ja doch nur eine Unke mit ekeligen Warzen, die sich jetzt im Uferschlamm des Baches verbirgt und nicht der verwunschene Märchenprinz mit reichlich Grundbesitz. der bei dem Gezeter der Beiden vermutlich lieber ungeküsst in seiner Froschperspektive verweilt.


Für dieses Theaterabenteuer im Grünen haben die Stillen Hunde auch eine edle Tafelrunde mit Leinen, Kristall und Kerzenschein angerichtet. Der Gast (Lionardo Velasco Hurtado) möchte seine nächste Eroberung kulinarisch betören und so reimen sich der erste und der zweite Koch (LasseTimpe und Mathias Prellberg) das Menü mit sportlichem Ehrgeiz zusammen. Bratpfannen sind einfach die besseren Tennisschläger, wenn die Suppenkasperverse mit dem richtigen Reimanschluss gekontert werden. Der ein oder andere Vers wandert dann zwar ins aus oder landet am Netz. Aber so elegant angeschnitten und vergnüglich falsch gekontert hat vermutlich noch niemand das Lied Ich wollt‘ ich wär‘ ein Huhn vernommen, wie auf der Baumwiese in historischer Parklandschaft.
Sogar einen Shakespeare Abstecher gönnen die Moringer Theatermacher ihrem mobilen Publikum am Teichufer am Ehrenmal. Schließlich hält die Braut weiterhin nach dem passenden Kandidaten für den schönsten Tag Ausschau und solange sich der schönste Tag nicht abzeichnet, ist wie bei Hamlet noch immer etwas faul ist im Staate Dänemark. Da machen sich Königin Gertrud (Gerda Mickan) und ihre erste Hofdame (Ellen Deilke) in edler Gewandung mit klassischen Versen über die unglücklich verliebten Ophelia ans Werk. Aber damit stürzen sie vor allem den ermittelnden Kommissar (Klaus Henne) in wunderbar turbulente Irrungen und Wirrungen, was die vermeintliche Wasserleiche und ihre mörderische Verwandtschaft angehen, während sein Assistent (Nasir Safi“) unverdrossen weiter in seinem Schlauchboot paddelt.


Mit feinsten feisten Zutaten unterhalten die drei Hexen (Heike Müller Otte, Elke Knoblauch und Elfriede Gebhard-Pahmeier) ihr Publikum auf der Friedhofswiese. Sie müssen schließlich einen Traumprinzen zusammenbrauen, damit die verlassene Braut endlich unter eine glückliche Haube kommt. Es brodelt munter in der Männerküche, wo ein königlicher Held (Ahmad Dalil) mit Schwert und Krone unter Einsatz von Schweineaugen und dem Hirn einer Maus zusammengebraut wird. Das Urteil „taugt nichts“, ereilt auch den akademischen Kandidaten, das millionenschwere Exemplar wird mit einem weiteren Pistolenschluss spontan vollstreckt. Bei dem letzten Bewerber versagt es sogar den Hexen fast die Sprache. „Hallo! Du bist so schön. Heirate mich“. Sie rätseln noch ein bisschen, ob der vielleicht vom Himmel gefallen sei, wie eine Gestalt, die es eigentlich nur im Märchen gibt und nicht in einem Theaterstück, in dem so viele romantische Träume mit Witz und Ironie und noch mehr Spielfreude vergnüglich geschreddert werden. Für den schönsten Tag und für einen der schönsten Theaterspaziergänge in diesem Theatersommer.


Kulturbüro Göttingen / Tina Fibiger, 16.07.2021



2022

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Bürgertheater Moringen interkulturell: Der schönste Tag
Theaterspaziergänge im Moringer Stadtpark (2)


Premiere: 24.06.2022

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Deutsche Stunden
Eine Hörchronik, Musik von Leon Hast


Vierundzwanzig Stunden hat der Tag. Gefühlt sind es mal mehr, mal weniger. Auf die Situation kommt es an. Dem einen frisst die Zeit das Leben, der andere lebt in der Zeit. Von den langatmigen Momenten und den blitzartig vorübereilenden Ewigkeiten, von Wartezeit und Schrecksekunden, von den flüchtigen und den schweren Momenten, die den Alltag des Durchschnittsdeutschen rund um die Uhr kennzeichnen, erzählt die live gesprochene und abgemischte Hörchronik, die sich aus einer Vielzahl von Miniaturdramen und Klang-Bruchstücken zum akustischen Bild eines Tages verdichtet: Da ist der Busfahrer, der kurz nach Mitternacht den letzten Gast an der Endstation verabschiedet, die Mutter, die das noch schlaftrunkene Kind im der Kita abgibt, der Paketbote, die Lehrerin, die Ärztin, der Manager, die Instrukteurin der Putzkolonne, die Sachbearbeiterin in der Ausländerbehörde, das Radiomoderatoren-Pärchen, das den Pendlerströmen morgens und abends mit ewig guter Laune die Staus ansagt, der Vater, dem das gemeinsame Essen am Abendbrottisch heilig ist - banale Menschen in banalen Situationen, und doch anrührend komische und tragische Helden. Mit jedem Vorrücken des Zeigers auf dem Zifferblatt der Uhr erscheinen neue Szenen und Figuren, haben ihren kurzen, oft nur sekundenlangen Auftritt und verschwinden dann wieder - denn: alles hat seine Zeit.


Premiere: 01.06.2022 im Rahmen von HUNDSTAGE 2022 / APEX, Göttingen


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Göttingen. Ein- oder zweimal im Jahr soll es künftig die Hundstage geben, kündigen die Göttinger Theatermacher „Stille Hunde“ an. Sie sollen „eine Plattform bieten für eine zeitlich begrenzte Präsentation experimenteller, stilistisch und inhaltlich besonderer Produktionen des Ensembles“. Den Start haben Stefan Dehler, Christoph Huber und Kathrin Müller-Grüß am Mittwochabend auf ihrer Heimatbühne im Apex gemacht. Dort hatte ihre „satirische Hörchronik“ Uraufführung: „Deutsche Stunden“.


Die beiden Männer und die Frau steigen von der Bühne herab und setzen sich an den Tisch davor. Dicht vor dem Mund haben sie nun Mikrofone, die Szene ist nur spärlich beleuchtet. Eine Stunde lang werden sie nun lesen, ein Live-Hörspiel. Einen ganzen Tag, 24 Stunden, verdichten sie in 60 Minuten, einen Tag, wie er sich immer wieder abspielt in Deutschland – oder irgendwo in der Welt.


Meist sind es ganz banale Szenen, die die Vorleser schildern. Da ist die Mutter, die ihren Sohn dazu bringen will, kurz nach Mitternacht das Computerspiel abzustellen und ins Bett zu gehen. Da ist dieser Firmenchef, der mit seiner Mitarbeiterin bis spät nachts die Steuererklärung fertig macht und sie dann zu einem Absacker ins Hotel einladen will, in dem er wohnt. Sie kommt nicht mit, und er fährt doch nach Hause zu seiner Frau. Ein Busfahrer komplimentiert an der Endstation barsch einen Fahrgast aus dem Wagen. Seine Schicht ist zu Ende. Lara keucht, sie hat Krupp. Die Eltern reagieren panisch. Um 4 Uhr in der Nacht sitzt eine 14-Jährige auf dem Geländer einer Brücke, kurz vor sechs Uhr werden Reinigungskräfte eingewiesen. Das Leben am Bahnhof nimmt langsam Fahrt auf, die Schule beginnt.


In vier Teile hat Dehler seinen Text gegliedert und sich dabei an die Tageszeiten gehalten. Nacht, Morgen, Tag, Abend. Wie ein Chronist hat er die ganz kurzen Szenen aneinandergereiht, wie sie sich immer und immer wieder ereignen. Es sind Szenen, die den Alltag von Menschen abbilden. Einerseits sind diese Momente banal, wie Leben eben oft sind. Sie zeigen Notwendigkeiten, Abseitiges, Ausrutscher und kleine Lichtblicke. Andererseits stehen sie aber auch für all das, was Leben ausmacht. Der in Göttingen aufgewachsene Autor Benjamin von Stuckrad-Barre hat 2001 das Buch „Deutsches Theater“ veröffentlicht. Auch er tauchte in den Alltag ein auf der Suche nach dem, was Deutschland ausmacht. Er fuhr mit dem Pizzabringdienst mit und kontrollierte eine Polizeistation. Mit Migranten lernte er Deutsch, als überdimensionales Handy lief er durch das Olympiastadion – banale Situationen und doch so stellvertretend für ein Leben in Deutschland. Dehler muss das Buch nicht gekannt haben, aber der Plan beider Autoren funktioniert ähnlich: der Rückschluss vom Kleinsten auf das Gesamte.


Brillant ist der Text, den Dehler geschrieben hat. Sein Blick auf die Welt ist bisweilen etwas spöttisch, aber immer neugierig und liebevoll. Die Episoden verströmen ganz viel Wärme und Menschlichkeit. Das vermittelt auch das lesende Trio. Leicht szenisch gehen Dehler, Huber und Müller-Grüß das Programm an. Sie bewegen sich kaum, doch sie lesen sehr farbig. Angemessenverleihen sie den vielen Figuren, die in den 24 Stunden auftauchen, individuelle Züge. Eine Art Jingle hat Leon Hast eigens für das Hörspiel komponiert, mit dem die Szenen ineinandergleiten. Ein ganz feiner Abend mit einem großartigen Text.


Göttinger Tageblatt, 03.06.2022

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Der Krieg mit den Molchen
Live-Hörspiel nach dem Roman von Karel Čapek,
Musik von Leon Hast


Die Entdeckung einer zweiten hochintelligenten Spezies stellt die bis dato vom Menschen beherrschte Welt auf den Kopf. Anfänglich noch als naive Handelspartner akzeptiert, werden die ursprünglich in einer einsamen Lagune der Südsee beheimateten Supermolche schließlich zum Opfer eines entfesselten Kapitalismus, der ihre Fähigkeiten ausbeutet. Speziell gezüchtete Sklaventiere errichten im Auftrag von privaten Baugesellschaften und staatlichen Industrien unterseeische Bauten und Dämme. Schließlich jedoch bilden sich unter der Führung charismatischer Anführer rebellische Gegenbewegungen in den Molchgesellschaften. Die Herrschaft des Menschen scheint an ihr Ende gelangt, als die Molche gemeinsam den Krieg gegen ihre Unterdrücker beginnen...


Karel Čapeks 1936 entstandener fantastisch-satirischer Roman liest sich heute als Menetekel des europäischen Kolonialismus und als Warnung vor menschengemachter Umweltzerstörung, gleichermaßen aber auch als Parodie auf das literarische Genre der Dystopie. Elemente der Science-fiction mischen sich mit Abenteuerromankapiteln, mit Stilmitteln des Sensationsjournalismus, des Sozialdramas, mit kabarettistischen Einlagen und Wissenschaftssatire. Augenfällig ist der Kontrast zwischen komischen Stilmitteln und ernsthaften Aussagen, zwischen schrägen Gags und bösen Pointen. stille hunde hat eine Live-Hörspielfassung für drei Akteuere aus dem vielstimmigen Erfolgsroman gemacht.


Premiere: 06.09.2022 im Rahmen von HUNDSTAGE 2022 / APEX, Göttingen

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Der Affe und der Leopard

Fabel von Jean de La Fontaine


Anlässlich des 400. Geburtstages von Jean de La Fontaine 2021 hat der Göttinger Märchenland e.V. eine Ausstellung mit Illustrationen zu den Fabeln des Dichters zusammengestellt. Pandemiebedingt kann sie nun erst in diesem Jahr gezeigt werden. Unter den zahlreichen Künstlern, die sich von La Fontaine zu Gemälden und Grafiken anregen ließen, zählen die Buchillustratoren und Karikaturisten Grandville und Gustav Doré zu den bekanntesten. Vom 7. bis zum 12. Oktober sind Zeichnungen und Lithografien von ihnen und anderen Künstlerinnen und Künstlern im APEX zu sehen, bevor sie im Rahmen der diesjährigen Mythentage in Hann. Münden gezeigt wird.


Eröffnet wird die Ausstellung mit einem Vortrag des Kulturjournalisten Michael Schäfer. Stefan Dehler und Christoph Huber stellen im Anschluss die schönsten Fabeln La Fontaines in deutschen Nachdichtungen vor.


Premiere 07.10.2022 / APEX, Göttingen



2023

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Anarchisten
Eine Kasperletheater-Revue


Wer des Lebens müde ist, den holt im besten Fall der Tod. So geschieht es dem bühnenlahmen, zu keinem anarchischen Späßchen mehr aufgelegten Kasper. Der Sensenmann schickt den einstigen Helden spektakulärer Possen auf die vermeintlich letzte Reise. Zwischenhalte bei Gott und Teufel offenbaren dem vom Tod Gezeichneten aber, dass es weder Paradies noch Hölle für einen geben kann, der sowieso nie von dieser Welt war. Und so findet der Kasper sich samt seiner unseligen Truppe dort wieder, wo nach Theatergesetzen endgültig Schluss mit lustig ist und wo eine grausige Endzeitstimmung fröhliche Urstände feiert: im Bauch des Krokodils. Aber wie schon der Teufel prophezeit hat, kommt im Moment der größten Finsternis von irgendwo ein Lichtlein her. In diesem Fall: der letzte Funke Selbstachtung in Herz und Hirn des Kaspers - entzündet durch die Begegnung mit dem Geist seines lange toten Vaters Hanswurst. So also kommt es, dass weder er noch sein fröhlich-dusseliger Kompagnon Seppel, weder Großmutter noch Gretel, weder Zauberer noch Hexe, weder König noch Prinzessin, weder Räuber noch Polizist ganz und gar verzweifeln müssen, sondern einander dumm und dämlich quatschend einen Ausweg aus der Misere suchen, den - oh Wunder des Theaters! - einige tatsächlich auch finden.


Stefan Dehler und Christoph Huber greifen in ihrer Hanswurstiade mit allen vier Händen die altbekannten Typen des Kasperlespiels auf und bürsten die Charaktere mal mehr, mal sehr gegen den Strich. Dabei bedienen sie sich ungeniert aus dem Theaterfundus, dass es nur so staubt und flockt. Wer will, hört hier und da im verspielten Getümmel die Historie stöhnen, einen Klassiker nostalgisch raunen, die Zeitgeister kichern. Wer nicht will, der kann sich leicht an das halten, was das Kasperletheater seit Urzeiten ausgemacht hat: derber Spaß mit und ohne Pflaumenkuchen. Gerne auch ohne Moral.


Premiere: 25.02.2023 / APEX, Göttingen


Pressestimme


Vor Jahren haben die Stille Hunde, das sind Christoph Huber und Stefan Dehler, eine Gruppe von Kasperlefiguren „geerbt“. Lange schmorten Kasper, Seppl, Gretel und all die anderen typischen Protagonisten im Archiv – um im Februar 2023 wiederbelebt zu werden. Als Anarchisten tauchen sie auf der Bühne des Apex in Göttingen wieder auf – nur um nach wenigen Momenten zu sterben und im Sarg zu landen. Wie das passieren konnte, sei hier nicht verraten. Aber in diesem Moment zwischen Leben und Tod wird ihr wahrer Charakter offenbar. Und der ist nicht immer jugendfrei. Wer da alles mit Kasper in die Kiste steigt, ist schon erstaunlich.


Christoph Huber und Stefan Dehler spielen die Figuren von Kasper, Seppl, Gretel, der Großmutter, dem Teufel, dem König und der Prinzessin, dem Polizisten und dem Räuber, der Hexe und dem Zauberer und natürlich dem Krokodil hinreißend. Hin und wieder treten sie selbst mit den Figuren in den Dialog oder dienen als Requisite. Man merkt, wie viel Vergnügen die beiden an der Darstellung haben. Es ist kein klassisches Puppentheater, es sind die Stillen Hunde, die mit Figuren spielen.


All die kleinen Bosheiten, Anspielungen, morbiden Gedanken, anarchischen Ansichten, auch die Unappetitlichkeiten sowie all die kleinen und großen Grausamkeiten, die sich die Figuren zufügen, zeugen keineswegs von einer Menschenverachtung. Ganz im Gegenteil. Wenn der Zauberer den Sarg sieht, in dem sich Kasperle und bereits eine ganze Reihe seiner Bühnengenoss:innen befinden, und er lakonisch feststellt „Ein Sarg, so voller Leben“, dann zeigt dies das Augenzwinkern, mit dem Huber und Dehler vorgehen. Der wunderbare Text von Stefan Dehler ist zudem gespickt mit zahlreichen Zitaten der Weltliteratur und dem allgemeinen Sprachgebrauch. Wenn ausgerechnet Kasper sagt, jetzt sei „Schluss mit lustig“, dann spürt man als Zuschauer das Vergnügen am Text und den Aktionen.


Das Premierenpublikum amüsiert sich hörbar mit, wenn bei der Frage nach Gott der Teufel sagt „Dafür fühle ich mich nicht zuständig“.


Am Ende tritt auch ein Geist auf, der „Geist des alten Komödienwitzes“, auch unter dem Namen „Großer Hanswurst“ bekannt. Dieser Theaterwitz ist ein gewichtiger Bestandteil des wunderbaren Abends, der mit dem sprechenden Vorhang beginnt – und natürlich mit „Tri tra tullala“ endet.


Kulturbüro Göttingen / Jens Wortmann, 27.03.2023

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Studer ermittelt
Live-Hörspiel nach dem Roman Matto regiert von Friedrich Glauser


Wenn die Vernunft schläft, erwachen Ungeheuer. Die psychiatrische Klinik Randlingen, in die es den Berner Ermittler Jakob Studer nach einem Anruf in den frühen Morgenstunden verschlägt, erweist sich als ein Ort, an dem Wahn und Verwirrung herrschen. Ein Patient ist verschwunden, ein großer Geldbetrag wurde gestohlen, der Direktor der Psychiatrie wird tot aufgefunden. Was zunächst wie die Taten eines Einzelnen aussieht, erweist sich als irreführender Eindruck. Der an den Tatort gerufene Studer lässt sich nicht täuschen. Mit dem untrügerischen Instinkt des altgedienten Polizisten erspürt er die Widersprüche in Aussagen und Verhalten von Patienten und Personal, und nach und nach gelingt es ihm, die wahren Verbindungen und Motive hinter den Verbrechen zu enthüllen.


Friedrich Glauser schrieb sich 1936 mit dem Kriminalroman „Matto regiert” seinen Unmut über die Verhältnisse in der Psychiatrischen Klinik Münsingen, in der er Patient war, von der Seele. Der Skandal, den das Erscheinen des Buchs auslöste, war zunächst dem heftigen Protest derjenigen geschuldet, die sich als Figuren des Romans verzerrt dargestellt fühlten, führte schließlich aber auch zu ernsthafter Kritik an den Leitbildern, der Konzeption und an der Praxis der schweizerischen Heil- und Pflegeanstalten. Für den Zeit seines Lebens von Depressionen heimgesuchten, durch Drogenmissbrauch belasteten und entmündigten Schriftsteller bedeutete die Niederschrift eine Auseinandersetzung mit der eigenen Krankheitsgeschichte und den Erlebnissen in der Psychiatrie, aber auch den Versuch einer Selbstheilung durch künstlerische Kreativität. Friedrich Glauser gilt heute als Meister des psychologischen und sozialkritischen Kriminalromans.


Stefan Dehler und Christoph Huber stellen den Roman in einer 80minütigen 3D-Audio-Hörspielfassung vor, die live gespielt und von einer speziell eingerichteten Tonbühne mittels Kunstkopfmikrophonie der Bovender Firma friends of green sonic auf Kopfhörer übertragen wird.


Premiere: 06.06.2023 im Rahmen von HUNDSTAGE 2023 / APEX, Göttingen


Pressestimme


Die Ermittlungen liefen am Abend des 6. Juni im APEX: Das stille hunde-Team präsentierte im Rahmen der diesjährigen HUNDSTAGE-Serie erstmals das 3D-Live-Kriminalhörspiel »Studer ermittelt«. Das Live-Hörspiel basiert auf den berühmten Roman »Matto regiert« von Friedrich Glauser aus dem Jahr 1936. Das Publikum verfolgte Studers Ermittlungen mit Kopfhörern in 3D-Audio.


Bei Friedrich Glausers »Matto regiert« handelt es sich um einen atmosphärisch dichten, sozialkritischen und autobiografisch inspirierten Kriminalroman. Diese Atmosphäre wurde hervorragend vermittelt durch die überzeugende Performance der beiden Darsteller Stefan Dehler und Christoph Huber. Auch die eindrucksvolle Audiotechnik von Stephan Schmidt trug sehr viel zur Atmosphäre bei.


Der mürrische, aber besonnene Wachtmeister Jakob Studer soll herausfinden, wer den Direktor einer psychiatrischen Anstalt in der Schweiz ermordet hat und weshalb ein Patient namens Pieterlen geflohen ist. In seiner Reise durch „Mattos Reich“, das Reich des Wahnsinns, erspürt er die Widersprüche in Aussagen und Verhalten von Patienten und Personal.


Die stille-hunde-Darsteller führten das Stück live auf der Bühne hinter einer Milchglaswand auf. Eine brillante Idee, da die Zuschauer:innen noch schattenartig die Aktionen der Darsteller sehen konnten. Der Fokus lag aber klar dem Hören: Wenn man als Zuhörer:in die Augen geschlossen hat, tauchte man wahrhaftig in die Ermittlungen des Schweizer Wachtmeisters Jakob Studer ein. Einfach phänomenales Kopfkino. Als Studer-Darsteller Christoph Huber den Psychiater Dr. Laduner, gespielt von Stefan Dehler, befragte, fühlte es sich wirklich so an, als ob man ganz nah zwischen den beiden Akteuren gesessen hätte. Dies lag an der beeindruckenden und mitreißenden Tontechnik von Stephan Schmidt, Inhaber von friends of green sonic.


Hinter der Milchglaswand positionierte Schmidt einen Kunstkopf mit Mikrofonen in beiden Ohren. Die stille Hunde-Darsteller Huber und Dehler spielten dann um diesen künstlichen Kopf. Beim Aufsetzen der Kopfhörer bekam der Zuhörer folglich das Gefühl, als würde er direkt zwischen den zwei Schauspielern den Platz des Kunstkopfes einnehmen. So wurde ein besonders immersives Erlebnis erzeugt, bei welchem man sich wirklich wie am Platz des Geschehens fühlte.


„Die Choreografie ist besonders wichtig“, erklärt Stephan Schmidt. „Wir wollen für die Zuhörerinnen und Zuhörer den optimalen akustischen Eindruck erzeugen. Das heißt, die beiden Akteure stehen nicht einfach nur fest da und reden miteinander; das wäre zu langweilig. Es gibt keine festen Positionen der Darsteller, und sie bewegen sich wie beim normalen Schauspielen. Wenn Ermittler Studer beispielsweise Dr. Laduner eine unangenehme Frage stellt, geht dieser auf Distanz und bewegt sich weg vom linken Ohrmikrofon des Kunstkopfes. Auf die Aktion, Bewegung und Positionierung vor dem Kunstkopf kommt es an.“


Der akustische Eindruck und das Schauspiel hatten es wirklich in sich: Es fühlte sich oftmals tatsächlich so an, als ob Studer hinter einem steht und spricht. So mancher Zuhörer schaute mal kurz hinter seine Schulter, um zu sehen, ob dort jemand steht. Auch Requisiten wurden sehr gut und effektvoll in das akustische Spiel mit eingebaut: Als Studer seinen Vorgesetzten anrufen will, hörte das Publikum zum Beispiel, wie er auf einem alten Telefon die Wählscheibe dreht. Auch als der Ermittler sich eine Notiz macht, ist das Gekritzel auf einem Block ganz deutlich zu hören. An dieser Stelle muss ein großes Lob an Stefan Dehler, Christoph Huber und Stephan Schmidt ausgesprochen werden für das authentische und einmalige Klangerlebnis, mit welchem sie das Publikum in ihren Bann zogen.


Stefan Dehler schrieb das Skript für das Hörspiel und übernahm gleichzeitig auch mehrere Rollen von verschiedenen Verdächtigen. „In mehrere Rollen zu schlüpfen war einfach toll. Es ist der Kern des Schauspielens. Man spielt herum und fragt, war das jetzt zu künstlich oder hörte sich das wirklich wie eine zweite Person an. Das ist ein spaßiger Arbeitsprozess.“ Dehler verstellte seine Stimme sehr glaubwürdig und verlieh dem Psychiater Dr. Laduner einen sehr souveränen und sachlichen Charakter wohingegen er als Insasse Caplaun verängstigt und vollkommen verrückt wirkte.


„Friedrich Glauser ist ein sehr intuitiver Autor“, erzählt Dehler dem Kulturbüro. „Er hat mehrere Ideen, die er gut findet und baut diese Ideen intuitiv in seine Handlung ein. Er konzipiert aber nicht gleich zu Beginn, wie der Anfang und das Ende oder die Auflösung des Romans aussehen soll. Deshalb gibt es am Ende des Romans ein Knäuel aus Handlungsfäden, der etwas schwer zu verstehen ist und zu kompliziert ist für ein achtzigminütiges Hörspiel. Deshalb musste ich beim Schreiben des Drehbuchs auch das Ende vereinfachen. Wir hatten zwei Gründe, warum wir uns für eine Adaption dieses Romans entschieden haben: Zunächst ist Darsteller Christoph Huber Schweizer und in der Schweiz kennt jeder den Wachmeister Studer. Was in England Sherlock Holmes ist, ist in der Schweiz Studer. Dazu ist das Setting, die Psychiatrie, von zeitgeschichtlichem Interesse und schafft Raum für ethische Fragen.“


Mit diesen ethischen Fragen wurde auch gut in dem Hörspiel umgegangen, da oftmals die Behandlungsmethoden der Psychiater mehr als fragwürdig erscheinen. Friedrich Glauser war selbst Patient in der Psychiatrischen Klinik Waldau und schrieb sich 1936 mit »Matto regiert« seinen Unmut über die Verhältnisse in der Psychiatrie von der Seele. Jakob Studers Ermittlung ist praktisch die Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit.


Christoph Hubers Darbietung als Studer war sehr überzeugenden und passte perfekt zu dem „hardboiled Detective.“ Sein Studer wirkte wie ein abgehalfterter mürrischer Kommissar, der aber trotz allem clever und logisch vorgeht. Dies bemerkte der Zuschauer, da sich Huber manchmal die Nase mit der Hand abwischte und sich zudem oft müde oder knurrig anhörte. Trotzdem stellte er stets unangenehme Fragen und beobachtete seine Umgebung.


Seine Beobachtungsgabe wurde immer gut von einem Erzähler mit Schweizer Akzent beschrieben und kommentiert. Der Erzähler wurde ebenfalls von Christoph Huber gesprochen. Sein Schweizer Akzent, den er ausschließlich für die Erzählerstimme benutzte, sorgte für noch mehr Authentizität. So wusste der Zuschauer zu jeder Zeit, was Studer untersucht, und man konnte gut in seine Gedankenwelt als Ermittler eintauchen. „Uns war wichtig die Stimmung zu transportieren. Allein, dass ich einen Trenchcoat trage, sollte der Atmosphäre beitragen, da man durch die Mikrofone oft das Knirschen des Mantels hört. Auch der Schweizer Akzent soll dafür sorgen, dass das sich Erlebnis authentisch, wie in einer Schweizer Klinik, anfühlt. In der Klinik beobachtet Studer und zieht Schlüsse nach dem Motto ‚Denken hilft.‘ Als Inspiration für mich diente Heinrich Gretler, der den Wachtmeister Studer im gleichnamigen Film von 1939 verkörperte. Mir war wichtig zu zeigen, dass Studer zwar ein knurriger älterer Mann ist, der aber auch menschlich ist, da er den flüchtigen Patienten schließlich weiterziehen lässt.“


Hubers Darstellung des alten mürrischen Ermittlers mit Herz konnte auf ganzer Linie überzeugen und wurde von der Intro- und Outro-Musik großartig unterstrichen. Die Blues-artigen Bassklänge, gefolgt von einer Gitarre und Mundharmonika, sorgten für eine lässige und coole Stimmung. Zudem erinnerte die Intro-Musik an Roy Budds Main Theme zu dem Krimiklassiker »Get Carter«. Zum Schluss sprach Huber als Ermittler Studer direkt in das Mikrofonohr des Kunstkopfes, sodass sich der Zuhörer selbst angesprochen und einbezogen fühlte. Ein einfaches aber sehr effektvolles Stilmittel, das mit dem coolen Blues-Thema einen perfekten Epilog bildete.


Mit ihrem Schauspiel und der besonderen 3D-Audio-Technik konnten die stillen Hunde für einen hervorragend lässigen Krimi-Abend im APEX sorgen. Der akustische Klang sorgte für ein enorm immersives Erlebnis, welches sich einzigartig anfühlte und dass man im herkömmlichen Theater nicht vorfindet.


Kulturbüro Göttingen / Keanu Demuth, 08.06.2023



Stand: 09.06.2023